: Vier Engel für Borkowsky
Er hat den Lambada erfunden, aber er kann nichts dafür: Pinduca spielt auf den Heimatklängen
von ANDREAS BECKER
Trotz Nässe machte sich eine unerschrockene Hundertschaft auch an diesem Mittwoch auf, um bei den Heimatklängen die Band der Woche mit Mojito und Caipi willkommen zu heißen. Radio-MultiKulti-Moderatorin Elisabetta erzählt, ihr Freund sei – seit der Karneval der Kulturen an seinem Balkon vorbeiwackelte – entschlossen, sich ein T-Shirt zu basteln mit der Aufschrift „Ich hasse Caipirinha!“.
Pinduca, der bis Sonntag zwischen den angegammelten, aber gemütlichen Hallen der Ex-DDR-Post im Tempodron-Zelt am Ostbahnhof auftritt, ist nichts weniger als der eigentliche Erfinder des Lambada. Dessen internationale Vermarktung durch öffentliche Arschreibung war allerdings nicht seine Schuld!
Pinduca kommt aus Belém, einer Stadt an der Amazonasmündung. Die Gegend gilt als Heimat des Carimbó, und Pinduca ist der „König des Carimbó“. In Belém vermischen sich vor allem indianische, afrikanische und portugisiesische Traditionen und Einflüsse. Was dabei rauskommt, ist wieder mal eine Musik, die schnell in die müden Glieder fährt. Von null auf hundert in drei Sekunden sind Pinduca und seine neun Mitmusiker allemal. Und dann wirbeln da ja auch noch vier, tja, wie sagen wir es nun wieder schön klischeehaft, aber doch ironisch: wilde, noch krasser: rassige Tänzerinnen über die Bühne. Sheila, Anataliane, Elizangela und Daniele heißen sie, und um das männliche Geschlecht nicht vollkommen zu vernachlässigen, gibt es als fünften den Tänzer Marcelo Thigana. Später beim Interview mit Radio MultiKulti erzählt eine der Tänzerinnen, ihre Kleider (die sie am Abend drei-, viermal wechseln) stammten vornehmlich aus Portugal. Und der sympathische Pinduca sagt auf die Frage, woher sein Name eigentlich stamme: Er habe sich nach einer lustigen, bekannten Comicfigur benannt. Richtig gute Bläser und die Rhythmusabteilung machen Pinduca zum bisherigen Höhepunkt des Festivals. Was mir nur noch fehlt ist brasiliani- scher Heavy Metal a la Sepultura feat. Arto Lindsay!
Heimatklängeoberhaupt Borkowsky wundert sich, dass Pinduca keine einzige CD von sich mitgebracht hat, stattdessen aber zwei große Transparente, die man scheinbar extra für den Berlin-Gig gepinselt hat: eine brasilianische und eine deutsche Flagge. Auch beim letzten Stück erweist sich Senhor Pinduca als Meister der folkloristischen Völkerverständigung: Er trägt einen Hut in den brasilianischen Nationalfarben, die Tänzerinnen geben sich blau-grün bis nackt, und dann hüllt sich Pinduca zum Schlusstusch in eine original deutsche Fahne. Vorwärts, olé.
Heute und Samstag 21.30, Sonntag 16 Uhr, Tempodrom am Ostbahnhof
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