Der Einstellungstest

Eko Stahl in Eisenhüttenstadt prüft im Vorstellungsgespräch die Toleranz der Bewerber. Rassismus wird nicht geduldet. Das Beispiel macht Schule

von RICHARD ROTHER

Die Globalisierung verändert das Leben radikal – bis in die hintersten Ecken der Welt. Dass dieser häufig kritisierte Umbruch durchaus positiv, ja geradezu zivilisatorisch wirken kann, zeigt sich in so manch entferntem Winkel Brandenburgs. Hier ist es das (internationale) Kapital – dem Antifas gerne vorwerfen, es stehe „hinter dem Faschismus“ –, das sich der fremdenfeindlichen Stimmung öffentlich entgegenstellt, die in den von den Nazis so bezeichneten „national befreiten Zonen“ herrscht.

Am konsequentesten ist die Eko Stahl GmbH in Eisenhüttenstadt an der Oder. Rund 50 Azubis wird Eko, das ehemalige Eisenhüttenkombinat Ost, in diesem Jahr einstellen. „Bereits im Vorstellungsgespräch wird Toleranz abgeprüft, vor allem bei den Azubis“, sagt André Körner, Abteilungsleiter Organisationsentwicklung. Das Werk, das im August sein 50-jähriges Jubiläum feiert, ist mit fast 3.000 Beschäftigten der größte Arbeitsgeber in Ostbrandenburg. In Eisenhüttenstadt, nach dem Krieg als „Stalinstadt“ auf der grünen Wiese gegründet, läuft nichts ohne den Betrieb, der der französichen Usinor-Gruppe gehört.

Aber es bleibt nicht bei Ermahnungen und Belehrungen im Vorstellungsgespräch. Zu Beginn eines jeden Ausbildungsjahres fahren die Azubis zu einem einwöchigen Workshop. Integraler Bestandteil der Aktion, bei der die Neuen sich und den Betrieb kennen lernen sollen: ein Antirassismus- und Toleranztraining. Dort lernen die Azubis, dass Eko seine Existenz einem transnationalen, länderübergreifendem Unternehmergeist verdankt, argumentieren die Ausbilder. Dazu gehöre französisches Kapital, deutsches Facharbeiter-Know-how, polnischer Koks und brasilianisches Eisenerz. Ohne den Absatz eines großen Teils seiner Produkte ins Ausland sei Eko nicht denkbar.

„Aus diesem Grund bezieht die Eko Stahl GmbH beim Kampf gegen Gewalt von rechts eine klare Position“, heißt es in einer Unternehmenserklärung. Mit der internationalen wirtschaftlichen Verpflechtung wachse die multikulturelle Gesellschaft. „Für Rechtsradikalismus und Ausländerfeindlichkeit gibt es im Unternehmen keinen Platz.“ Das mag selbstverständlich klingen – in Brandenburg, wo nach wissenschaftlichen Untersuchungen 30 Prozent der Jugendlichen über ein gefestigtes rechtes Weltbild verfügen, ist es das nicht.

Eko-Arbeitsdirektor Hans-Peter Neumann, der das Programm vor mehr als zwei Jahren auf den Weg brachte, findet noch deutlichere Worte. „Menschenverachtende Aktionen werden sanktioniert.“ Worte, denen auch Taten folgten. Als vor zwei Jahren ein Balkan-Grill in Eisenhüttenstadt von rechten Jugendlichen überfallen wurde, waren zwei Eko-Azubis dabei. Einer verlor sofort den Job, der andere wurde Wochen später – entgegen einer vorherigen Verabredung – nach der Ausbildung nicht übernommen.

Der zuständige IG-Metall-Jugendsekretär Siegfried Wied, vor neun Jahren von Hamburg an die Oder gezogen, begrüßt das harte Vorgehen der Geschäftsführung. Dass einer wegen Ausländerfeindlichkeit faktisch entlassen wurde, sei bisher einmalig gewesen. Die IG Metall arbeitet eng mit der Eko-Geschäftsführung zusammen. Als vor einem Jahr die rechtsextreme NPD zu einer Demo aufrief, weil bei Eko „nationale Ansichten“ unterdrückt würden, haben Gewerkschaft und Geschäftsführung ein Gegenkonzert organisiert.

Darüber hinaus werden die Ausbilder von Eko und vom Oberstufenzentrum in Eisenhüttenstadt im Umgang und der Diskussion mit Rechtsradikalen geschult. Regelmäßig finden Jugendaustausche mit Partnerschulen in Polen und -unternehmen in Frankreich statt. Personalmanager Körner: „Da lernen sich die Jugendlichen kennen und können Vorurteile abbauen.“ Körner zieht eine positive Zwischenbilanz der Reeducation hinter dem Werkstor. „Wenn man mit den Jugendlichen redet, gehen denen manchmal die Augen auf.“ Gewerkschaftsmann Wied ist skeptischer: „Offen werden keine rechten Meinungen mehr bei Eko vertreten.“ Das ist immerhin ein Anfang.

Brandenburgs Wirtschaftminister Wolfgang Fürniß (CDU) begrüßt solche Initiativen als „beispielhaft“. Kaum eine Veranstaltung mit Brandenburger Unternehmern, bei denen der Minister nicht den Leuten vor Ort ins Gewissen redet. Die rund 250 ausländischen Unternehmen in Brandenburg haben bisher mehr als 100.000 Arbeitsplätze geschaffen. Auf fast jeder Auslandsreise wird der Minister auf die Fremdenfeindlichkeit angesprochen. Fürniß: „Die Fragen sind kritisch. Selbst im amerikanischen Chicago wurde ich gefragt, ob man in Brandenburg noch investieren kann.“

Solche Argument scheinen langsam zu wirken. Die Azubi-Ausbilder der Industrie- und Handelskammer Potsdam sind für den Umgang mit Rechtsextremen geschult worden, und immer mehr Brandenburger Unternehmen beziehen Position gegen Fremdenfeindlichkeit. Öffentlich und im Betrieb. Eine von Eko vorgelegte Petition haben 43 Eisenhüttenstädter Unternehmen unterzeichnet.

In der Optikstadt Rathenow, im Westen des Bundeslandes, hat sich im Frühjahr eine Initiative „Rathenower Wirtschaft gegen Fremdenfeindlichkeit“ gegründet. Allerdings erst nachdem der Ort in die Schlagzeilen geraten war, weil die dortigen Asylbewerber öffentlich wegen der permantenten Übergriffe Asyl in Westdeutschland beantragt hatten. Initiator Peter Poschmann, dessen mittelständisches Unternehmen Optikergeschäfte einrichtet: „Wir dulden in unseren Unternehmen keine Fremdenfeindlichkeit.“ Mit den Mitarbeitern sei gezielt diskutiert worden. Rund 30 Firmen haben sich der Initiative angeschlossen.

Bei DaimlerChrysler in Ludwigsfelde wird, ähnlich wie bei Eko, schon im Auswahlverfahren darauf geachtet, dass die künftigen Azubis „teamfähig“ sind, betont eine Sprecherin des Unternehmens, das in der Kleinstadt südlich von Berlin Lkw produziert. Dazu zähle tolerantes Auftreten gegenüber Ausländern. „Bei fremdenfeindlichen Tendenzen im Unternehmen würden wir sofort einschreiten.“

Auch bei der Rolls-Royce Deutschland GmbH in Dahlewitz spielt in der Ausbildung „die Erziehung zur Toleranz“ eine große Rolle, so ein Sprecher. Das Unternehmen, das im Berliner Speckgürtel Flugzeugtriebwerke produziert, beschäftigt rund 1.000 Ausländer. Das ist rund die Hälfte der Mitarbeiter. „Internationalität wird groß geschrieben.“

Dass es lange dauern kann, bis solche Absichtserklärungen wirken, zeigt ein Zwischenfall am vergangenen Wochenende: Rund 20 Jugendliche bedrohten den Platzwart eines Campingplatzes im brandenburgischen Hermersdorf mit Schlägen. Er hatte sie aufgefordert, den Zeltplatz zu verlassen, nachdem sie rechtsgerichtete Musik gespielt hatten.