„Ich hör die Single nicht“

Mit fiesen Popsongs macht sich lotte ohm. über seine Plattenfirma lustig – die ihm zum Dank den Vertrag verlängert

Wenn das Wünschen jemals was geholfen hat, dann hat sich wohl jemand mal lotte ohm. gewünscht. Hat sich gewünscht, dass es jemanden gibt wie Vincent Wilkie, der sich ein völlig dämliches Pseudonym gibt, klein geschrieben und mit Punkt am Ende. Einen, der auf Marktgesetze scheißt und intelligenten Pop macht. Der damit keinen Erfolg hat, aber trotzdem weiter fröhlich Platten macht. Jemanden, der in verschachtelten Nebensätzen singt, prinzipiell zwei- und vieldeutig. Der immer eine liebenswerte Melodie im Angebot hat, die er dann aber lakonisch und nasal wegsingt, als hätte er zu viel davon. So eine Traumvorstellung ungefähr muss dem Wunsch Pate gestanden haben.

Vielleicht hatte Vincent Wilkie auch einfach nur Glück. Seine aktuelle Single heißt jedenfalls „Die Abenteuer des Gustav Gans“. Wilkie und der Entenhausener scheinen verwandt zu sein, wenn man bedenkt, dass seine Plattenfirma, eine der größten der Welt, seinen Vertrag bereits wieder verlängert hat. „Ich persönlich, wenn ich eine Plattenfirma hätte“, grient Wilkie, „ich hätte erst mal gewartet, wie sich das neue Album verkauft.“ Dabei sitzt er im blauen Blumenhemd auf der Ledercouch im gerade frisch bezogenen Berliner Büro eben dieser Plattenfirma, und lächelt.

Bernd Dopp, Geschäftsführer der deutschen WEA, hat offensichtlich einen Narren an lotte ohm. und seinen kleinen, manchmal fiesen, immer hellsichtigen Songminiaturen gefressen. „Mag sein“, vermutet Wilkie, „dass Dopp sich denkt: ich bin Chef dieser Firma – ich hab Madonna, ich hab Westernhagen, ich hab Sasha. Ich kann es mir leisten, auch was zu machen, was ich gut finde, auch wenn es nicht Gold kriegt.“ Das mag sein.

„Aber für mich“, sagt Wilkie, „hat das, ehrlich gesagt, rein informativen Charakter.“ Nur sein „armer Manager muss irgendwelche Meetings machen“, in denen ihm dann vorgerechnet wird, was unterm Strich denn so übrig bleibt. „Blablabla“ nennt Wilkie das, was auf solchen Zusammenkünften besprochen wird.

Was Wilkie von seinen Geschäftspartnern hält, das können die nicht nur in Interviews lesen oder im persönlichen Gespräch hören – das müssen sie auf CD gepresst auch noch selbst unters Volk bringen. In gleich mehreren Songs auf dem aktuellen Album „17 °“ distanziert sich lotte ohm. von seinen Arbeitgebern: In „Eigentlich einfach“ werden die üblichen Ratschläge zitiert („Nimm 'ne Soulsängerin“, „Ich hör die Single nicht“), und in „Leider nicht dabei“ heißt es ganz offen: „Macht euren Dreck mal schön alleine.“ Auch die einzige Coverversion, „Ich bin viel zu lange mit euch mitgegangen“ von Tocotronic, will Wilkie auf dieses Thema bezogen wissen. Stellt sich die Frage, warum er dann selbst den Vertrag verlängert hat: „Man muss sich ja nicht lieben. Das ist keine Freundschaft, sondern eine Arbeitsbeziehung.“ Ansonsten seien die Vorteile, die ein Major bietet, nicht von der Hand zu weisen. Zudem kann man Videos drehen, die sich eine kleine Plattenfirma nicht leisten könnte.

Gustav Gans ist also glücklich, wie immer. Der richtig große Erfolg wird aber wohl auch diesmal noch ein wenig warten müssen. Was soll man schon halten von jemandem, der in einem Refrain ein trockenes „Natürlich muss ich lachen, wenn es wehtut“ singt? Und der das einzige Liebeslied seiner Platte in der Zeile gipfeln lässt: „Ich brauch nicht viel, um glücklich zu sein / Dich brauch ich nicht“?

Deutschsprachiger Pop hat sich etabliert, da stimmt Wilkie zu. Aber er hält es trotzdem „für ausgeschlossen, dass Blumfeld oder ich Nummer eins werden. Wenn du Nummer eins werden willst, dann brauchst du die Friseusen.“ Und auf die Friseusen, das ist deutlich herauszuhören, auf die legt lotte ohm. keinen Wert. Dabei grinst er schon wieder. Zum Glück wirkt er dabei niemals so arrogant wie der echte Gustav Gans. THOMAS WINKLER