Kegeln wie in den Siebzigern

„Jenseits von Mitte“, Teil 4: Gründe, um nach Steglitz zu fahren, gibt es ebenso viele, wie wieder von dort wegzukommen. Im Kegel- und Bowling-Center im Forum Steglitz sieht es so aus, wie sich alte Fernsehserien einmal die Zukunft vorgestellt haben

von KIRSTEN KÜPPERS

Die Schloßstraße in Steglitz vereinigt die positiven Seiten einer westdeutschen Fußgängerzone mit den Vorteilen Berlins. Gepflegte Filialen aller notwendigen Konsumketten sind vorhanden, es weht der Duft von Eduscho-Kaffeeröstereien, und es gibt dennoch genügend Verkehr, um einen daran zu errinnern, dass man hier weg kann. Das realistische Selbstverständnis des Bezirks – nämlich viele Angebote machen, aber nie angeberisch zu behaupten, das Zentrum der Stadt zu sein – wirkt beruhigend. Die übliche kulturpessimistische Verzweiflung, die einen bei Heidelberger Straßenmusikanten befällt, stellt sich deswegen gar nicht erst ein.

Besonders gelungen ist das „Forum Steglitz“. Ein großer 30 Jahre alter Klotz. Das Einkaufszentrum gehört schon zu lange zur Schloßstraße, um noch einen aufdringlichen Eindruck zu machen. Ältere Kunden schätzen das dunkelgetäfelte italienische Eiscafé, den Perückenladen und das Geschäft für Übergrößen. Teenager verbringen hier zufrieden verregnete Freitagnachmittage in den Niederlassungen von H&M- und WOM. Die meisten Besucher sind regelmäßig hier. Auf der Kundentoilette hängt ein Aushang, den man nur als Insider verstehen kann: „Wir suchen wieder Wolle! Ihre WC Lady“.

Die Attraktion des Forum Steglitz befindet sich im 5. Stock, der Etage über dem Parkdeck. Es handelt sich um das Bowling- und Kegel-Center. Die Anlage wurde 1970 eingeweiht. Damals war ein bunter Science-Fiction-Look modern. Das Interieur ist geblieben. Noch immer ist das Center nur über einen Fahrstuhl erreichbar.

Drinnen erstrecken sich 35 elegante Bowling- und Kegelbahnen. Auch sie sehen so aus, wie sich alte Fernsehserien die Zukunft vorstellten. Poppige Schalensessel in gelb und orange sind um sie herum arrangiert. Am Kopfende jeder Bahn steht ein Kommandopult mit Knöpfen, die die Aufschrift tragen „Entwirrung“, „Kellner-Ruf“ oder „Gasse links rechts“. Es gibt von Stellwänden abgetrennte Nischen, in denen man an zackig geformten Tischen Platz nehmen kann.

Herrin des Raumschiffs ist eine Frau in Leopardenbluse. Sie steht hinter der Schaltzentrale, die das elektrische Aufstellen der Kegel auf den Bahnen reguliert. Von oben flimmern vier Monitore. Hinter dem Tresen stapelt sich Spezialausrüstung. Wer eines der 400 Paar Bowlingschuhe ausleihen will, muss 3 Mark bezahlen. 25 Mark kostet eine Stunde Kegeln oder Bowling.

Es gibt Disco-Club-Besitzer, die von solchen Kulissen träumen. Das retro-futuristische Ambiente verleiht selbst den in Shorts gekleideten Rentnern, die mit konzentrierten Gesichtern die Treffer notieren, eine heitere Jugendlichkeit. Als die Abendsonne besonders schön auf die bunten Bahnen scheint, spendiert einer von ihnen Fassbrause.