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: SILKE BURMESTER über die alte TV-Garde

Singende Untote oder wie ich lernte, die Heck’sche Bande zu lieben

Das Gute am Fernsehen ist, dass es ein Freund sein kann. Vor allem während der Adoleszenz ist es der beste Freund gleich nach dem besten Freund. Es versüßt uns die öde Zeit zwischen Reinkommen und Abendbrot und trägt uns auf der Welle seiner Unterhaltung durch dunkle Wintertage oder langweilige Samstagabende, die wir noch mit unseren Eltern verbringen müssen. Und weil alles so regelmäßig ist, gewöhnen wir uns an die Fratzen. An goldene Kälber wie Linda de Mol, Platzhirsche wie Thomas Gottschalk und wer weiß, vielleicht würden wir uns eines Tages sogar an Kerner gewöhnt haben, wären wir nur jung genug.

So wie damals, als wir mit unseren Eltern „Am laufenden Band“ guckten oder die „ZDF Hitparade“ und was sonst noch so als „familientauglich“ galt. Damals, als uns gar nicht auffiel, wie weit entfernt Carell und Heck oder die liebe Lottofee von dem Alter waren, das wir ihnen zuordneten. Dank kindlichen Gemüts oder pubertätsschwerer Coolness glaubten wir, es seien alte Säcke, die da den Kasper machten, und es bedurfte rund 25 Jahre und eines aktuellen Fernsehauftritts – bzw. Wiederholung einer alten Sendung – um das Irren zu bemerken.

Um festzustellen, dass die Akteure erst heute das Gesicht haben, von dem wir damals dachten, sie hätten es. Und so bemerken wir heute erstaunt, dass ein TV-Fossil wie Rudi Carell echt jung, echt schlaksig, echt fesch war und die mittlerweile pensionierte Lottofee Karin C. Tietze als heißer Feger gegolten haben muss, während DT Heck und der Love-Parade-Trittbrettfahrer und Ectasy-Clown Gotthilf Fischer niemals wirklich „jung“ gewesen waren. Schlimmer noch: dass bei ihnen das, was man gemeinhin „Alterungsprozess“ nennt, niemals stattgefunden hat. Natürlich hat das auch damit zu tun, dass all diese Nasen im Zuge der 70er-Nostalgie nun wieder im Fernsehen ihren Platz gefunden haben. Wer wollte ihnen verdenken, dass sie nach dem dünnen Revival-Strohhalm greifen, der ihnen von den Sendeanstalten oder Organisatoren diverser Musikspektakel hingehalten wird.

Und so geistern Heck & Co. in Wiederholungen oder mit neuen Formaten als ewig plaudernde Quälgeister und singende Untote durch die Sender, dieselben Gesichter wie damals, als wir noch mit unseren Eltern vor dem Fernseher saßen. Und so, wie wir es einmal im halben Jahr nett finden, sonntags zum Essen zur Mutter zu fahren, sind wir fast geneigt, die Heck’sche Bande zu mögen, sie wieder gern zu haben. Denn wenn wir es nicht besser wüssten, dächten wir, das Fernsehen sei unser Freund und in der Zukunft würde irgendetwas besser. Doch die Zukunft ist jetzt. Und die hat, seien wir ehrlich, lediglich die Fratzen gewechselt, nicht aber ihr Profil. Und so sind wir froh, bald nach dem Sonntagsbraten wieder nach Hause fahren und beim Anblick der alten TV-Garde den Aus-Knopf drücken zu können.Was bleibt, ist ihre Brut. Unterhaltungstäter wie Kerner, Pilawa oder Schäfer. Und damit die Frage: Wie alt müssen die eigentlich werden, bevor ihnen endlich einer den Saft abdreht?