Der Herr der Paprikaschoten

Westafrika hat einen neuen Warlord: Ansumane Mané, früher Armee- und Juntachef von Guinea-Bissau und heute arbeitslos, rüstet den ihm ergebenen Teil der Armee seines Landes massiv auf und entwickelt grenzüberschreitende Ambitionen

aus Bissau THOMAS BAUR

Böse Zungen behaupten, der Machtbereich der Regierung von Guinea-Bissau reiche allenfalls bis vor die Tore des Flughafens der Hauptstadt. Denn ab dort hat nur einer das Sagen: General Ansumane Mané, ehemaliger Armeechef und Chef einer Militärjunta, die inzwischen die Macht an eine gewählte Regierung abgegeben hat. Mané ist heute in Bissau Volksheld und nennt sich „Garant der Stabilität“.

Vom Stützpunkt der Luftwaffe aus, wo regelmäßig libysche Frachtmaschinen landen, zieht Mané seine Fäden. Seine gefürchteten Militärkommandos, wegen ihrer roten Barette „Succubembes“ (Paprikaschoten) genannt, fahren in gestohlenen Geländewagen ohne Kennzeichen durch die Hauptstadt und auch darüber hinaus. Und im Norden Guinea-Bissaus, an der Grenze zu Senegal, operiert die Guerillabewegung MFDC (Bewegung der Demokratische Kräfte der Casamnce), die den Südteil Senegals abspalten will und als verlängerter Arm Manés gilt. Mané – ein neuer Name auf der Liste westafrikanischer Warlords?

Der großgewachsene Militär ist mit Krieg vertraut. Er kämpfte schon vor der Unabhängigkeit Guinea-Bissaus 1975 im Befreiungskrieg gegen die Kolonialmacht Portugal und brachte es damals rasch zum Frontkommandanten. Zwar konnte er nicht lesen und schreiben, aber dank seiner Beziehung zum 1980 an die Macht gekommenen Präsidenten Nino Vieira stieg er an die Spitze von Guinea-Bissaus Armee auf. Ausgerechnet beim Putsch gegen seinen „Bruder“ Vieira 1998 lieferte Mané dann sein militärisches Meisterstück. Mané setzte sich an die Spitze einer Militärjunta und behielt nach elfmonatigem Kampf auch gegen die von Vieira angeforderten Interventionstruppen aus Senegal und Guinea die Oberhand. Aus dieser Zeit stammt Manés Partnerschaft mit Libyens Oberst Gaddafi und Gambias Präsident Yahya Jammeh – wie Mané Soldat, Putschist, Muslim und Angehöriger des Mandingo-Volkes.

Zwar regiert Mané Guinea-Bissau nicht mehr. Doch seine Freundschaft zu Gambias Herrscher Jammeh ist geblieben. Militärberater aus Bissau bilden Gambias Armee im Umgang mit schweren Waffen aus. So muss Senegal in seinem zwischen Gambia und Guinea-Bissau liegenden Südteil, wo die MFDC-Guerilla operiert, mit einem Zweifrontenkrieg rechnen, sollte die Lage dort sich weiter verschlechtern. An der Grenze herrschen bereits solche Spannungen, dass der lokale UN-Delegierte die Entsendung von 500 Militärbeobachtern forderte. Diese Woche stieg die Krisenstimmung erneut, als senegalesische Bauern die Grenze zu Guinea-Bissau blockierten.

Dass ein möglicher neuer regionaler Krieg weitreichende Folgen für Westafrika haben könnte, ist keine unbegründete Sorge. Gerade in Guinea-Bissau, Armenhaus der Region, hat die militärische Aufrüstung bizarre Formen angenommen. Gemeinsam mit dem Kommandanten aller Waffengattungen reiste Mané nach China, um „Ersatzteile für Traktoren“ zu kaufen. Guinea-Bissau sei „von allen Seiten“ bedroht, sagt man dazu in Armeekreisen, wobei man immer wieder auf diverse Grenzverletzungen verweist.

Finanziert durch Einnahmen aus Fischereilizenzen, rüstet sich die Armee mit Waffen aus dem Ostblock auf und hat angeblich die Stärke von 35.000 Mann erreicht – zehnmal so viel wie vor Manés Putsch 1998 und viel zu groß für ein Land mit knapp über einer Million Einwohnern. An dieser Zahl scheitern vorerst auch die UN-Bemühungen zur Demobilisierung. Vor allem die 10.000 antigos combatantes, die Veteranen des Befreiungskampfes gegen Portugal, wollen die Waffen und ihren damit verbundenen Einfluss nicht ablegen.

Auch die ehemalige Kolonialmacht Portugal, die früher auf Mané als Gegengewicht zum frankophilen Vieira gesetzt hatte und ihn noch im vergangenen Herbst mit allen militärischen Ehren empfing, ist die Aufrüstung nicht mehr geheuer. Internationale Beobachter wie der portugiesische EU-Delegierte Miguel Amado sprechen ernsthaft von einer möglichen Vision der Clique um Mané: der Wiederherstellung des vorkolonialen Mandingo-Großreichs, das dereinst vom Gambia-Fluss über den Süden Senegals und das heutige Guinea-Bissau bis tief in das heutige Guinea hineinreichte.

Reichlich regionaler Sprengstoff, denn gerade in Guinea würden die Mandingos – die sich dort Malinke nennen und ein Drittel der Bevölkerung stellen – gerne zurück an die Macht, die sie 1984 mit dem Tod des Diktators Sékou Touré verloren hatten. Selbstverständlich unterhält Mané auch zu Guineas Mandingo-Opposition engste Kontakte. Und Guinea ist ein zentraler Akteur in der Region. Das Land liegt neben den Krisenherden Sierra Leone und Liberia, aus denen es hunderttausende Flüchtlinge aufgenommen hat und in deren Kriege es verwickelt ist.