: Des Dingos wüstes Hinterteil
Die ganze Welt aus Warschauer Sicht: Das Polnische Kulturinstitut zeigt unter dem Motto „Das Land, in dem ich lebe“ Werke polnischer Fotografen im Ausland. Deutschland ist megameditativ, Holland poetisch und Australien ein Witz
Zum Glück gibt es die Expo. Aus Anlass der Weltausstellung hat das Polnische Kulturinstitut Werke zeitgenössischer polnischer Fotografen zusammengestellt, die außerhalb ihres Landes leben. Organisator der in Berlin startenden Schau ist die Sektion Stettin des Verbandes polnischer Fotokünstler. Schon 1991 hatte sie einen solchen Überblick gegeben, der dann als Wanderausstellung auf Reisen ging. Nun sind erneut rund 70 Fotografen ausgewählt worden. Ihre Arbeiten stehen unter dem Motto „Das Land, in dem ich lebe“. Damit geht eine deutliche Westbindung einher: Die meisten leben in den USA, größere Gruppen gibt es auch in Frankreich, in Deutschland und Australien; nur jeweils ein Teilnehmer kommt aus Tschechien, Holland, Japan und aus Südafrika.
Die Idee dieser Ausstellung ist gut, ihre Umsetzung allerdings problematisch. Was sich über das jeweilige Land sagen lässt, verliert sich in der Vielfalt der ästhetischen Positionen und Motive. Das kunterbunte Durcheinander aus Schwarzweiß- und Farbfotografien wird noch durch die gedrängte Hängung gesteigert. Kaum ein Foto hat ein Passepartout; sie liegen auf unterschiedlich gefärbtem Karton – von einem bis zu neun Fotos pro Rahmen. Angesichts der schieren Quantität werden sie an Wänden, Pfeilern, auf dem Boden, auf Staffeleien oder im Schaufenster dargeboten. Die Informationen über die Fotografen dagegen sind auf Namen und Aufenthaltsländer reduziert, gerade so, als blättere man in einer Illustrierten.
Dieser Eindruck wird durch die Mischung der Genres bestätigt. Sowohl bessere Urlaubsaufnahmen von touristischen Attraktionen, Sportreportagen, typische Land-und-Leute-Fotos als auch schicke Hochglanz-Werbebilder sind mit von der Partie. Immer wieder trifft man auf dramatische, mit allen Tricks der Technik eingefangene Landschaften und Hochhaus-Skylines – mal mit drohenden Wolken, mal in atemberaubenden Perspektiven oder mit tanzenden Lichtern. Gerade die austauschbaren und grellen Aufnahmen in Lifestyle-Manier nehmen individuelleren Positionen den Raum. Dort erweisen sich wiederum Homogenität in Format und Motiv, gerne auch in Serie, als am einprägsamsten.
Da sind zum Beispiel die Obdachlosenfotos des in den USA lebenden Darius Przybysz oder die Szenen einer Pilgergruppe aus Chicago von Zbigniew Bzdak. Zugleich witzig und dokumentarisch hat sich Marek Wieczorek in Amerika ungewöhnliche Briefkästen vorgenommen. Die Multikulturalität des Landes spiegelt sich dagegen in den Gesichtern wieder, die Jarek Iwanski und Bonifacy Maolepszy mit der Kamera festgehalten haben.
Bei den in Australien lebenden Lichtbildnern stehen konzeptionelle und inszenatorische Praktiken im Zentrum, wenn etwa Chris Meder einen Dingo im Bild so anschneidet, dass sich das Tier nur als abgetrenntes Hinterteil in der Wüste zeigt. Mit noch viel slapstickartigerem Humor begegnen Jurek Holzer und Jerzy Zaleski dem Alltag in Schweden. Wer Poesie sucht, wird sie bei Anna Pisula-Maciejewski finden, die in Holland alte Häuser bei der Renovierung fotografiert hat. Und Deutschland sieht bei Pawe Ceglarek selbst auf dem Teppichboden noch nach Meditation aus.
MICHAEL NUNGESSER
Bis 31.8., Di. – Fr. 10 – 18 Uhr, Galerie des Polnischen Kulturinstituts, Karl-Liebknecht-Straße 7; der Katalog kostet 20 Mark
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