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Der Fall Sarah Payne

17 Tage lang hat die Nation mit den Eltern von Sarah Payne (8) gebangt. Aus dem ganzen Land gingen Meldungen über Sichtungen der Kleinen mit der Zahnlücke ein. Dann, vor zwei Wochen, ist ihre Leiche in einem Feld an der Landstraße A 28 in der Nähe der südenglischen Kleinstadt Pulborough gefunden worden. Die Volkstrauer seit dem Leichenfund ist mit den Reaktionen auf den Tod von Prinzessin Diana zu vergleichen. Warum verfällt ein Land in Kollektivtrauer, warum pilgern die Menschen an den Tatort? Sicher, es war eine abscheuliche Tat. Doch in Großbritannien, wie auch in anderen Ländern, werden regelmäßig Kinder ermordet. Der Mord an Sarah Payne jedoch ist zur Seifenoper geworden. Die wochenlangen TV-Auftritte der Eltern, die genaue Nachzeichnung der letzten Stunden von Sarah Payne auf dem Bauernhof ihrer Großeltern, die Meldungen aus Glasgow, Gatwick und Gloucester, wo „ein in Tränen aufgelöstes Mädchen, das auf den Namen Sarah hörte“, gesehen wurde – all das hat man im Fernsehen mitverfolgt. Es war ein Gruselfilm, bei dem sich jeder ausmalen konnte, dass es das eigene Kind oder Enkelkind trifft, ohne dass man es wirklich befürchten musste. Die Tränen der Tatortpilger sind genauso echt wie die Tränen der Zuschauer beim Film „Titanic“. Jetzt kann man den Drehort besichtigen, wie „Bates’ Motel“ in Los Angeles. Das klingt zynisch? Viel zynischer ist die News of the World, die mit Steckbriefen zur Pädophilenhatz unter dem Namen „Kampagne für Sarah“ aufruft, frei nach dem Motto: „Ihr habt den Film gesehen, nun fangt euch einen Pädophilen.“