„Sludge in den Ofen und nicht über Bord“

■ Auf den Spuren der Umweltverpester: Der stete Kampf der Wasserschutzpolizei gegen teils fiese Tricks der Schiffsbesatzungen

Vorsichtig steigt die kleine Gruppe die fast senkrechten Stufen in den Maschinenraum des Frachters „Kas“ hinunter. Lautes Hämmern und Klopfen, eine Alarmsirene und das ohrenbetäubende Knattern des Schiffsgenerators dröhnen aus den Tiefen empor. Rohre und Kabel lassen nur wenig Platz an den weiß-roten Bordwänden. Schmale Gänge führen vorbei an Motor, Öltanks, Brennofen und Zentrifugen. „Wir sind jetzt schon unterhalb der Wasseroberfläche“, brüllt Werner Weinhold, Oberkommissar der Wasserschutzpolizei Bremen. Mehrere Besatzungsmitglieder des türkischen Stückfrachters warten bereits am Fuß der Treppe. Sie schauen ihrem Chefingenieur und den zwei Beamten in ihrer weiß-blauen Uniform entgegen – den Körper angespannt, nervös auf der Stelle tretend. Die Polizisten sind gelassen, für sie ist dieser Gang etwas ganz Alltägliches. Fast jeden Tag fahren die beiden in die Bremer Häfen, um hier die großen Frachter auf eventuelle Umweltsünden zu überprüfen.

Bei ihren Kontrollgängen geht es um Müllentsorgung, Zustand der Maschinen und Tanks und hauptsächlich um das Thema Öl – Schweröl. Diese schwarze, zähe und stinkende Masse tanken – in Schifffahrtsdeutsch bunkern – die großen Schiffe und Frachter als Treibstoff. In ursprünglichem Zustand bedeutet Schweröl für den Motor den Tod. Es muss zuerst zentrifugiert werden, um den Dreck vom eigentlichen Brennstoff zu trennen. Das passiert aus Kostengründen an Bord. Der Dreck nennt sich unter Fachleuten Sludge oder ganz einfach Ölschlamm, ist hochgiftig und muss in Tanks gelagert oder in besonderen Öfen verbrannt werden. „Wir haben mal jemanden gefasst, der 50 Tonnen Ölschlamm einfach über Bord gekippt hat. Das war schlimm“, erinnert sich Weinhold. Der größte Teil des Schlamms schwimmt auf dem Wasser, etwas sackt aber auch immer ab. Folgen daraus sind daher nicht nur die ölverschmierten, toten Vögel am Strand, sondern auch noch zerstörtes Leben auf dem Meeresboden.

Die „Kas“ ist sauber – alle Sludgetanks sind voll, und einen Großteil hatte der Kapitän bereits in Hamburg zur Entsorgung abholen lassen. „Gut sieben Tonnen Ölschlamm hat der hier gelagert! Jetzt frag ich mich natürlich, warum der Kapitän das ganze Zeug nicht in seinem Ofen verbrennt. Aber schaun wir doch mal nach“, kündigt der Oberkommissar an. Zögernd schraubt einer der Techniker die schwere Tür in der dicken Wand aus Stahl und Beton auf. Ein Haufen Asche liegt ausgekühlt in dem schwarzen Loch. Hier wurde lange nichts mehr verbrannt. Ja, natürlich funktioniert der Ofen, versichern die Techniker, lassen sich von einem Test jedoch nur schwer überzeugen. Kein Wunder, das Ding springt nicht an. Weinhold: „Wusst' ich es doch.“ So langsam wird der Krach im Maschinenraum unerträglich. Aber die Männer vom Wasserschutz sind mit der „Kas“ noch lange nicht fertig.

Den Gesprächen können Uneingeweihte nur schwer folgen. Kontrollgangssprache ist gebrochenes Englisch mit deutschem und türkischem Akzent, vollgestopft mit Kauderwelsch aus der Seefahrt oder ganz einfach Zeichen mit Händen und Füßen. Hitzige Diskussionen auf Türkisch machen das babylonische Wirrwarr komplett. Aber eines ist klar: Als Nächstes steht eine Maschine mit dem schönen Namen „Bilgewasserseparator“ an.

Zum Verständnis: Bilgewasser ist ein Gemisch aus Wasser und Ölresten, das auf unterster Ebene im Frachter zusammenläuft. „Es entsteht, wenn mal ein Rohr oder eine Maschine leckt“, erklärt Weinhold. Jedes Schiff hat eine spezielle Maschine, die das Wasser vom Öl separiert – also trennt – und den sauberen Teil über Bord kippt. Das Öl landet im Sludgetank. „Das Wasser, das bei der Sache rauskommt, darf höchstens 15 Gramm Öl pro Kubikmeter Wasser haben. Alles was drüber liegt, hinterlässt 'nen Ölfilm“, weiß der Beamte. Wenn der Separator diese Norm nicht schafft, jault ein Alarm durch den gesamten Maschinenraum.

„Das ist ja ein Ding! Der Ingenieur hat doch tatsächlich versucht, mir Seewasser als Bilgewasser zu verkaufen.“ Weinhold – vor seinen Jahren bei der Polizei ein kundiger Seebär – ist bestürzt über den Versuch, ihn zum Narren zu halten. Auch der Separator scheint auf der „Kas“ kaputt zu sein. „Und das war bei der letzten Kontrolle in Bremen vor sieben Jahren schon so“, erinnert sich der Oberkommissar. Das könnte bedeuten, dass von dem Schiff ständig verunreinigtes Wasser ins Meer geleitet wurde. Beweisen lässt sich das aber nicht.

Weinhold lässt von den Technikern einen Trennungsvorgang durchführen. Als das nicht hinhaut, heißt es, es sei kein Bilgewasser an Bord. Aber der Polizist weiß genau, wo er nachgucken muss, um diese Aussage zu widerlegen. Letztendlich kommt doch noch „gereinigtes“ Wasser aus dem Separator. Es ist schwarz. „Jetzt müsste der Alarm eigentlich losgehen. Aber auch der ist falsch angeschlossen“, ärgert sich der Polizist.

Die Probleme auf der „Kas“ sind nichts Ungewöhnliches. „Von den rund 600 Schiffen, die ich in den letzten Jahren kontrolliert habe, sind vielleicht zehn vollkommen in Ordnung gewesen“, bedauert Weinhold. Im Fall der „Kas“ können die Beamten aber nicht viel machen. Ein paar Bußgelder für falsche Buchführung, mehr ist auf Grund von Beweismangel nicht drin. Aber am Nachmittag hat sich der Techniker von der Seeberufsgenossenschaft zur Kontrolle angemeldet. Der hat die Befugnis, noch stärkere Maßnahmen zu ergreifen. „Da geh ich mit, und zusammen werden wir dafür sorgen, dass das Schiff erst auslaufen kann, wenn alles repariert ist“, ist sich Weinhold sicher.

Imke Gloyer