Berlin als Schnäppchen

Im neuen Hauptstadt-Monopoly ist der Kollwitzplatz für 2.000 Mark, der Potsdamer Platz für 6.400 Mark zu haben. In den 30er-Jahren gab es ein solches Spiel bereits, Goebbels ließ es verbieten

Berlin steht zum Verkauf: Für den Prachtboulevard Unter den Linden müssen Immobilienhaie am tiefsten in die Tasche greifen. Allerdings ist die Bummelmeile inmitten der Hauptstadt für den günstigen Preis von 8.000 Mark auch für Otto Normalverbraucher erschwinglich. Den Lützowplatz gibts für 1.200 Mark fast geschenkt. Doch ein Schnäppchen ist Berlin nur im Spiel – dem legendären „Monopoly“. Jetzt wird der Klassiker der Gesellschaftsspiele als Berlin-Ausgabe (79,90 DM) angeboten.

Das bewährte „Monopoly“-Prinzip und -Aussehen wird auch in der Berlin-Version beibehalten. Zu den exklusiven Immobilien gehören der traditionsreiche Ku’damm für 7.000 Mark und der völlig neu bebaute Potsdamer Platz für 6.400 Mark. Rund 1.000 Mark billiger sind Gendarmenmarkt und Friedrichstraße. Der Kollwitzplatz im Szene-Bezirk Prenzlauer Berg ist mit 2.000 Mark auch für Käufer mit kleinem Geldbeutel interessant. Ebenso günstig ist die einst quer durch die geteilte Stadt verlaufende Sonnenallee. Dabei befindet sich dort im Spiel fälschlicherweise auch noch ein hauptstädtisches Highlight – die East Side Gallery – im wirklichen Leben verläuft diese jedoch entlang der Mühlenstraße. Auch bei der Staatsoper ist den Spiele-Machern ein Fehler unterlaufen: Statt Unter den Linden steht sie im Spiel an der Bismarckstraße. Die Hersteller-Firma hat angekündigt, die Fehler umgehend zu beheben. Gott sei Dank liegt bei „Monopoly“ nur Spielgeld auf dem Tisch.

Harte Mark zahlten dagegen Unternehmen, die ein Plätzchen auf den Spielfeldern ergatterten. Für 6.000 Mark steht beispielsweise unter dem Elektrizitätswerk „Yello Strom“ und an den Treptowern „Allianz“ und am Bahnhof Zoo „DB“. Schließlich decke der Verkaufspreis nicht die Herstellungskosten, sagte Geschäftsführer Michel Matschoss vom Hersteller Winning Moves. „Wir sind ein gewinnorientiertes Unternehmen“.

Seinen Ursprung hat „Monopoly“ in Amerika, wobei die Meinungen bei konkreten Fakten zum Erfinder auseinander gehen. Peter Lemcke vom Deutschen Spielemuseum in Chemnitz weiß zu berichten, dass Wirtschafts-Professor Henry George aus Pennsylvania das Spiel 1904 erdachte, um seinen Studenten kapitalistische Mechanismen zu demonstrieren. In anderen Versionen ist der arbeitslose Heizungsbauer Charles Darrow – immerhin auch aus Pennsylvania – der Vater des Spiels. Er soll erkannt haben, das von einem Glück und Wohlstand bringenden Spiel eine besondere Anziehungskraft ausging.

Facettenreich sind auch die Episoden um das Schacher-Spiel. So soll ein amerikanischer Häftling alle Spielsteine verschluckt haben, um ins Hospital zu dürfen. Der Arzt, der ihn von den Fremdkörpern befreite, verordnete dann: „Gehe auf direktem Weg ins Gefängnis“.

Während andere Länder – inzwischen sind es 43 – schon lange ein Spiel mit den Straßen ihrer Hauptstadt haben, mussten deutsche Spielernaturen sich mit der allgemeinen Variante inklusive imaginärer Schlossallee begnügen. Dabei gab es in den 30ern bereits ein Berlin-„Monopoly“, doch das hatte NS-Propagandist Goebbels 1940 wegen seines „spekulativen jüdischen Charakters“ verbieten lassen.

Die Marktlücke entdeckte die 1995 gegründete Firma Winning Moves, die bereits im vergangenen Jahr Köln, München, Hamburg, Düsseldorf und Leipzig ins „Monopoly“-Fieber versetzte. Der traditionelle „Monopoly“-Hersteller Hasbro erteilte dem jungen Unternehmen die europäische Lizenz für die in den USA bereits erfolgreiche Städte-Edition. Bald soll der Straßenkampf auch in Frankfurt/Main, Stuttgart und Hannover toben.

Übrigens: In der DDR war das kapitalistische Lehrspiel auch unerwünscht. Wenn es West-Besucher über die Mauer mitbringen wollten, wurde es ihnen vom DDR-Zoll abgenommen. Dabei hätten sich die Ossis damit exzellent auf die deutsche Einheit vorbereiten können.

MARION SCHIERZ/DDP