aktionen gegen rechts
: Grundübel Teilnahmslosigkeit

Manche Bilder werden auch dadurch nicht erträglicher, dass man sie öfter sieht. Rechtsradikale Aufmärsche etwa sind in München oder Cottbus so widerlich wie in Berlin. Dass das Brandenburger Tor in rechten Kreisen einen hohen Symbolwert besitzt, vergrößert das Problem optisch, ändert aber nichts. Das Grundübel liegt in der Teilnahmslosigkeit, mit der die Gesellschaft in den vergangenen Jahren allerorten rechten Auftritten, der Hetze und den Menschenjagden auf Ausländer, Obdachlose und alle, die irgendwie anders sind, zugesehen hat.

Das war einmal anders. Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda, Solingen, Lübeck, Dolgenbrodt. Nach der anfänglichen Lähmung, die die rechtsextremistischen Exzesse Anfang der 90er-Jahre ausgelöst hatten, regte sich in der Bevölkerung Empörung und ziviler Widerstand. In vielen Orten protestierten Menschen mit Lichterketten gegen den rechten Pöbel. Das wirkte hilflos und war doch ein Signal.

Kommentarvon OTTO DIEDERICHS

Inzwischen jedoch müssen wir feststellen, dass der rechtsradikale Spuk das Brandenburger Tor erreicht hat. Verschärfung des Demonstrationsrechts und eine Bannmeile sollen nun die politische Antwort sein. Zumindest wenn es nach dem Willen jener Politiker geht, die die rechtsradikalen Umtriebe all die Jahre meist verharmlost haben, aber immer schnell dabei sind, wenn es gilt, demokratische Rechte zu beschneiden. Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Erwin Marschewski, sieht darin einen „ersten Baustein zum Zurückdrängen der Rechten aus dem öffentlichen Raum“. Berlins Innensenator Eckart Werthebach will das Demonstrationsrecht ändern, weil es nicht mehr der Lebenswirklichkeit entspreche.

Demonstrationsfreiheit gilt in einer Demokratie aber für alle. Auch für ihre Gegner. Dies muss sie aushalten können, auch wenn es nahezu unerträglich ist. Entgegentreten kann man den Rechten nur in der offensiven politischen Auseinandersetzung – nicht mit Polizei und Einschränkung von Freiheitsrechten. Es muss hellhörig machen, wenn derartige Forderungen auch in anderen Kreisen diskussionswürdig werden. Denn so sind rechtsradikale Aufmärsche nicht zu beseitigen – und rechtes Gedankengut erst recht nicht.

Notwendig ist es, dem Rechtsradikalismus offensiv mit eigenen Gegenveranstaltungen und -demonstrationen entgegenzutreten. Ständig und überall, nicht nur am Brandenburger Tor.