Zwischenlagerung unsicher

Umweltschützer kritisieren Zwischenlagerung von Siemens-Atomfabrik in Hanau. Abschließende Entsorgung ungelöst. Hessisches Umweltministerium entscheidet

HANAU taz ■ Dass die Siemens AG zur Zeit ihre Brennelementewerke in Hanau schleift, wird von allen regionalen Umweltschutzorganisationen begrüßt. Wie und dass die Reste allerdings vor Ort zwischengelagert werden sollen, trifft auf heftigen Protest und bringt die Umweltschützer gleichzeitig in eine schwierige Lage.

Der Rückbau der alten Fertigungsanlage für MOX-Brennelemente aus Uran und Plutonium und der Uran-Brennelementefabrik (früher: RBU) komplettiere erst den Atomausstiegsbeschluss der Bundesregierung, sagte der energiepolitische Sprecher des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU), Eduard Bernhard. Aber über das „Wie“ gibt es Streit. „Äußerst kritisch“ beurteilen die Umweltschützer den von der Firma Nuclear Cargo and Service GmbH (NCS) beantragten Bau einer Lagerhalle auf dem Siemens-Gelände in Hanau, in der einmal die strahlenden Abfälle aus den demontierten Atomfabriken zwischengelagert werden sollen. Dabei handelt es sich um rund neun Tonnen Uranmüll und um 90 Kilogramm plutoniumhaltige Abfälle; in der Regel strahlender Staub, der sich auf den Oberflächen der Fertigungseinrichtungen und -anlagen in den Fabriken niedergeschlagen hat.

Gestern auf dem „Scoping-Termin“ in Hanau im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Umweltverträglichkeitsprüfung sicherte die zur Deutschen-Bahn-Gruppe gehörende NCS den Experten aus dem hessischen Umweltministerium, den geladenen Umweltschützern und Vertretern der Stadt erneut die angeblich sichere Verpackung und Konditionierung der Abfälle „nach den Einlagerungsbedingungen des Endlagers Konrad“ zu. Der strahlende Müll soll in 200-Liter-Fässer gefüllt und mit Beton „vergossen“ werden. Und die Fässer kämen dann in „Stahlblech-Konrad-Container“ (KC). Rund 1.000 KC, die durch einen Anstrich „dauerhaft“ vor Korrosion geschützt seien, würden gebraucht, sagt NCS.

Die Umweltschützer kritisierten vor allen Dingen die unbestimmte Dauer der „Zwischenlagerung“ in Hanau und die „Naturbelüftung“ der Lagerhalle, die eine Rostbildung befördere – trotz Anstrich. Die Frage der Entsorgung sei ungeklärt, echauffierte sich Eduard Bernhard vom BBU im Gespräch mit der taz: „Da bleibt das Teufelszeug doch bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag in Hanau liegen.“ Dort stehe auch noch immer der Bundesbunker, gab Bernhard weiter zu bedenken. In dem lagern unter anderem noch mehr als hundert MOX-Brennelemente, die einmal für den nie in Betrieb gegangenen Schnellen Brüter in Kalkar gedacht waren. Statt eine „zugige Lagerhalle“ zu bauen, sollten Siemens und die NCS die bei der Demontage der Anlagen anfallenden radioaktiven Abfälle lieber in diesem sicheren Bundesbunker „temporär deponieren“. Das jedenfalls hatte Elmar Diez von der IUH und den Grünen bereits auf dem Erörterungstermin zum Rückbau der MOX-Anlage (alt) im Frühjahr angeregt. Und Diez und Bernhard (BBU) forderten – vergeblich – auch die „Einhausung“ aller Anlagen auf dem Gelände vor dem Beginn der eigentlichen Rückbaumaßnahmen. Eine solche „Schutzbarriere“ sei notwendig, weil die Gebäude mit den Fertigungsanlagen bei der Demontage „schutzlos Einflüssen von außen ausgesetzt“ seien: etwa bei Flugzeugabstürzen oder Erdbeben. Siemens will jetzt nach der Demontage, etwa von Dächern, „Folienzelte“ aufstellen; für Diez und Bernhard „ein Witz“.

Die „Bunkerlösung“ im Zusammenhang mit der Lagerung der beim Rückbau anfallenden radioaktiven Abfälle ist für die beiden Dauerkämpfer gegen die Hanauer Atomanlagen allerdings auch nur ein „Notprogramm“ (Bernhard). Besser wäre es, „das ganze Zeug“ einfach fortzuschaffen. Aber wohin? Nach Gorleben? Dass sie in der Argumentationsfalle sitzen, wissen die Umweltschützer – und ihre Gegner. Die Entscheidung wird ihnen ohnehin vom CDU-geführten hessischen Umweltministerium abgenommen. Das muss jetzt den Antrag der NCS bescheiden. Die Firma rechnet fest mit der Genehmigung.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT