„Ich rechne mit 50 Milliarden“

Interview von JENS UEHLECKE

 taz: Herr Berninghaus, die UMTS-Auktion läuft seit zehn Tagen. Wie lautet Ihr Tipp, wer wird gewinnen?

Siegfried Berninghaus: Ein solche Prognose kann aus rein wissenschaftlicher Sicht kaum erfolgen. Die Spieltheorie ist noch nicht in der Lage, den Ausgang eines so komplexen Vorgangs exakt vorauszusagen. Das hängt damit zusammen, dass es sich dabei um eine spieltheoretische Situation mit unvollständiger Information handelt. Wir müssten wissen, wie die einzelnen Teilnehmer die Bietstrategie ihrer Konkurrenten einschätzen, um ihr Verhalten vorauszusagen. Berücksichtigt man aber die Informationen und Erfahrungswerte, die wir über die einzelnen Firmen und ihre Marktposition haben, so vermute ich, dass von den sieben Bietern am Ende fünf übrig bleiben: Die vier etablierten Netzbetreiber Deutsche Telekom, Mannesmann Mobilfunk, E-Plus und Viag Interkom sowie der Neueinsteiger Mobilcom.

Kritiker behaupten, die deutsche Auktion sei undurchsichtig. Hat das Verfahren Schwächen?

Manche kritisieren, dass man zu wenig Wettbewerb unter den Bietern zulasse und damit die vier etablierten Netzbetreiber in der Auktion stütze. Dem stimme ich nicht zu. Vor allem, weil Mobilcom und debitel in Deutschland bereits eine bedeutende Rolle als Wiederverkäufer von Mobilfunk-Verträgen spielen. Ich glaube auch nicht, dass die Regeln die Versteigerung zu undurchsichtig machen. Es macht im Gegenteil durchaus Sinn, dass den Firmen ein Kontaktverbot auferlegt wurde, und dass am Ende jeder Runde nur die Höchstgebote veröffentlicht werden. Dadurch werden so genannte Kollusionen verhindert, so bezeichnet man die stillschweigende Zusammenarbeit von Firmen. Etwa, wenn Teilnehmer die Frequenzblöcke untereinander aufteilen, um die Preise niedrig zu halten. Je weniger die Firmen aber voneinander wissen, desto unmöglicher wird solch ein kollusives Verhalten und desto höher ist das zu erwartende Auktionsergebnis. Und das ist – zumindest vom Finanzminister – so gewollt.

Was ist das Ziel der Versteigerung, außer den Staatshaushalt zu sanieren?

Die Idee der UMTS-Versteigerung ist, dass die Firmen mit den besten technischen und ökonomischen Voraussetzungen Lizenzen bekommen. Man geht davon aus, dass die Unternehmen, die die höchste Summe zahlen, die Frequenzen am besten nutzen können. Absprachen könnten aber dazu führen, dass die Lizenzen an Unternehmen vergeben werden, die weniger geeignet sind. Das wäre zwar für die Firmen günstiger, gesamtwirtschaftlich aber ein Verlust.

Werden die hohen Versteigerungssummen nicht auf den Verbraucher abgewälzt?

Das Argument ist nur auf den ersten Blick einleuchtend. Im Endeffekt wird der Wettbewerb die Preise bestimmen. Die Kosten für die Lizenzen sind im Grunde nichts anderes als Eintrittsgelder in einen neuen Markt. In der modernen Industrie-ökonomischen Forschung bezeichnet man diese als „versunkene Kosten“. Die Unternehmen müssen sich überlegen, ob ein Markteintritt die Investition rechtfertigt. Selbst wenn die Firmen anfangs versuchen sollten, die Preise auf hohem Niveau zu halten, wird der Wettbewerb schon bald einen Preisrutsch herbeiführen. Damit müssen die Unternehmen rechnen. Die Konsumenten müssen sich also keine Sorgen machen.

Warum hat die Auktion trotz der hohen Erwartungen so zögerlich begonnen?

Das strategische Problem ist einfach: Je mehr ein Unternehmen bietet, desto geringer ist am Ende der Nettogewinn – also der Differenzbetrag zwischen dem, was es am Ende für die Frequenzen zahlt, und dem, was es zu zahlen bereit wäre. Es ist also nicht einzusehen, warum ein Bieter gleich zu Anfang hoch einsteigen sollte, anstatt sein Gebot jeweils nur um die Mindestbeträge zu erhöhen. Das langsame Bieten macht aber auch noch aus einem anderen Grund Sinn. Die Unternehmen wissen sehr wenig über die Bietstrategie ihrer Konkurrenz. Daher müssen sie die Anfangsphase zum gegenseitigen Abtasten nutzen. Und das Beispiel Mobilcom hat gezeigt, dass sich der Prozess durch hohe Gebote nicht beschleunigen lässt. Obwohl das Unternehmen gleich in der ersten Runde relativ hoch eingestiegen ist, haben es die anderen langsam angehen lassen.

Wie erklären Sie das ungewöhnliche Verhalten von Mobilcom?

Als psychologisches Signal. Unter den Bietern gibt es neben den vier etablierten Netzbetreibern die drei Unternehmen Mobilcom, debitel und die Group 3G, für die das Spiel neu ist. Zunächst war man unsicher, wie ernst es den Neueinsteigern wirklich ist. Das Verhalten von Mobilcom ist die Antwort: Das Unternehmen bekräftigt seinen Anspruch auf zwei Lizenzen. Interessant ist zu beobachten, dass Mobilcom sogar für eine dritte Lizenz mitbietet. Während es aber für die ersten beiden Frequenzblöcke sehr hohe Gebote abgibt, bietet es für den dritten jedoch immer signifikant weniger. Man könnte das als klare Ansage deuten: Bei zwei Frequenzen müsst ihr mit uns rechnen, eine dritte wollen wir aber nicht unbedingt.

Wie werden sich die Bieter in den nächsten Wochen verhalten?

Das Verhalten wird sich nicht wesentlich ändern. Die Unternehmen werden weiterhin vorsichtig sein, und Mobilcom wird signalisieren, dass es auf jeden Fall zwei Lizenzen ersteigern möchte.

Was glauben Sie, werden die Unternehmen am Ende für die Lizenzen bezahlen?

Ich rechne mit rund 50 Milliarden Mark. Dabei kann ich mich aber nur auf unsere Schätzungen stützen, wie viel den Unternehmen die neuen Frequenzen wert sind. Die sind allerdings sehr ungenau, weil die Firmen ihre Berechnungen natürlich streng geheim halten.

Besteht die Gefahr, dass die Unternehmen sich überschätzen und hinterher bereuen, zu viel geboten zu haben?

Sie spielen auf das in der Spieltheorie als „Fluch des Gewinners“ bekannte Phänomen an. Ich denke, es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass die Unternehmen sich so weit hochschaukeln. Bei den bisherigen Auktionen hat sich nicht gezeigt, dass irgendein Unternehmen beim Bezahlen seiner Frequenzen plötzlich in Schwierigkeiten gekommen wäre. Die Bieter werden rational entscheiden und eher vorher aussteigen.

Die Bieter könnten doch viel Geld sparen, wenn sie sich vor der Auktion geeinigt hätten, sich kooperativ zu verhalten.

Dagegen sprechen zunächst einmal die hohen Strafen, mit denen die Regulierungsbehörde Unternehmen bei Absprachen droht. Aber abgesehen davon ist das eine interessante spieltheoretische Frage: Sie könnten sich natürlich bilateral verabreden. Das bliebe allerdings relativ wirkungslos, weil die nicht einbezogenen Unternehmen jede gemeinsame Strategie unterlaufen würden. Das führt natürlich zu der Frage, warum sich nicht alle untereinander einigen. Der Haken dabei ist, dass in unserem Fall die Nachfrage nach den Lizenzen größer ist als das Angebot. Das könnte man nur ändern, indem man Unternehmen Geld dafür bietet, dass sie auf Frequenzen verzichten. Aus Unternehmenssicht wäre das ein sinnvolles Ergebnis: Man verteilt die Frequenzen zu niedrigen Preisen auf fünf bis sechs Anbieter und entschädigt die anderen. Ein solches Vorgehen setzt allerdings ein hohes Maß an Vertrauen voraus, das bei den Auktionsteilnehmern wahrscheinlich nicht vorhanden ist.

Zitat:BERNINGHAUS ZUM THEMA:„Die Nachfrage ist zu groß. Man müsste schon Geld bieten, damit Unternehmen auf Frequenzen verzichten“