Irrungen und Wirrungen unter Wasser

■ Backstein oder Putz: Ein Mordgrund? Krimi-Lesung in der Speicherstadt

Fischt man heute eine mit Steinen beschwerte Leiche aus dem Wasser, so dienen die Steine wahrscheinlich als Hinweis darauf, dass jemand den Toten verschwinden lassen wollte. Mit den beiden Ziegelsteinen, die Der Tote im Fleet in Boris Meyns gleichnamigem, soeben erschienenen Kriminalroman in den Taschen mit sich trägt, hat es eine ganz eigene Bewandnis: Sie führen Commissarius Hendrik Bischop im Hamburg von 1847 – fünf Jahre nach dem großen Brand – mitten hinein in die Irrungen und Wirrungen der städtischen Baupolitik. Da geht es um die Neugestaltung der Häuser – Backstein- versus verputzte Fassaden –, aber auch um die in großem Stil geplante Flächenausdehnung Hamburgs über die engen Stadtmauern hinaus.

Mit seinem historischen Hamburg-Krimi gelingt Kunst- und Bauhistoriker Meyn ein lesenswerter Balanceakt zwischen Fiktion und Realität. Meyn schildert dunkle Machenschaften zwischen illus-tren Hamburger Persönlichkeiten, welche den meisten HamburgerInnen heute vor allem von Straßennamen her bekannt sein dürften. Die konkreten Geschehnisse in der Hamburger Baupolitik Mitte des 19. Jahrhunderts sind bis heute nicht vollständig bekannt.

Meyn versucht, mit seinem Roman Licht ins Dunkel der historischen Abläufe zu bringen und lässt nach und nach unglaubliche Verwicklungen in der Hamburger Oberschicht ans Tageslicht dringen. Zwar spürt man beim Lesen, dass dies das Hauptanliegen des Autors ist, doch ist Der Tote im Fleet dennoch spannende Krimi- und Hamburglektüre: Im Geiste wandert man mit Bischop durch die Straßenzüge der Hansestadt und freut sich über die Schilderung von Details, die heute nicht mehr erhalten sind oder die man nur zu gut wiedererkennt.

Dass mit dem Commissarius ein Detektiv-Klischee nach dem nächsten bestätigt wird – er ist zum Beispiel beruflich wie privat der typische Einzelgänger und -täter, der an einer vergangenen Liebe leidet und sich nicht so recht auf eine andere Frau konzentrieren will –, das also verzeiht man Meyn recht schnell. Vor allem, weil er mit der fortschrittlichen Frauenfigur Clara Roever, die sich über die Konventionen ihrer Zeit hinwegsetzt und mit großem Scharfsinn ihren Teil zur Klärung des Falles beiträgt, dem Commissarius einen spannenden Gegenpol entgegensetzt.

Ob Meyn bei seiner Lesung in der „Kriminacht“ Fragen zu Hamburger Bauten und den diversen Nebensächlichkeiten des Romans, die das Lesen so bereichern, beantwortet, wird sich zeigen. Doch ist mit dem Ort der Lesung, dem Speicherstadtmuseum, bereits für das passende Ambiente gesorgt: Von hier aus können Interessierte im Anschluss mit Leichtigkeit den einen oder anderen Weg des Commissarius auf eigene Faust nachvollziehen und dabei vielleicht sogar nochmal ein bisschen das Gruseln bekommen. Karen Schulz

Freitag, 19.30 Uhr, Speicherstadtmuseum