Wettbewerb Jugend spielt

So wird die Saison, die wird (Teil 8: SC Freiburg): Mit milchbärtigem Personal will Volker Finke die Klasse halten, obwohl der Systemvorteil gegenüber dem Rest der Liga mittlerweile verschwunden ist

von ULRICH FUCHS

Würden die Finger nicht unablässig auf der Tischplatte trommeln, man könnte sich Sorgen machen. Fragen, ob Volker Finke, der so entspannt und gelassen wirkt wie selten, jetzt auch in jene „Gemütlichkeitsfalle“ getappt ist, die der Kabarettist Matthias Deutschmann als Kernstück des Freiburger Lebensgefühls ausgemacht hat. Ob der Cheftrainer des südbadischen Bundesligisten jene notorische Unruhe verloren hat, die die Antriebsfeder für fast alles war, was sich draußen vor seinem Büro in den letzten Jahren verändert hat.

Der ganze Um- und Ausbau des Stadions, der jetzt mit einem Fan-Haus und dem neuen Pressezentrum den letzten Schliff erhalten soll. Die Trainingsplätze, im Frühsommer runderneuert, inklusive Rasenheizung. Und jetzt, sagt Finke, „jetzt kommt noch das Jugendleistungszentrum für rund 20 Millionen Mark – und mindestens zwei Drittel müssen wir selber tragen.“

Doch nichts Neues im Südwesten: Mit emsiger Betriebsamkeit wird zu Beginn des neuen Jahrtausends an der Sicherung des Fußballstandorts Freiburg gewerkelt. Entstehen wird die Vorzeigeanlage zur Förderung des Nachwuchses ein paar Abschläge entfernt, drüben im altehrwürdigen Mösle-Stadion, das bis vor kurzem noch den FFC beherbergt hat. Symbolträchtig hat der Sport-Club damit die einstige Bastion des traditionellen Freiburger Fußballs genommen, um dort das Fundament für die Zukunft zu legen: mit einer Talentförderung auf höchstem professionellen Niveau.

Finkes Mannschaft für die kommende Saison sieht schon jetzt so aus, als wäre sie direkt aus einem Lehrlingswohnheim ins Dreisamstadion gekarrt worden. 16 von 25 Kickern sind 23 Jahre oder jünger. Spektakuläre Neuverpflichtungen? Fehlanzeige. Dafür: Sebastian Kehl (20) von Hannover 96; Soumaila Coulibaly (22) von Zamalek Kairo; Ferydoon Zandy (21) vom SV Meppen; Regis Dorn (21) von Racing Straßburg. Und Michele Borrozzino (24), den ältesten Neuen, haben sie von den eigenen Amateuren zu den Profis herübergeholt. Ob der Freiburger Trainer, wenn’s so weitergeht, demnächst mit einer U-21-Mannschaft in der Bundesliga bestehen will?

Ach, stöhnt Finke, und trommelt die Koordinaten der Freiburger Entwicklung im Eiltempo ins Gedächtnis der Begriffsstutzigen. Abstieg vor drei Jahren, der große Schnitt verbunden mit der „bewussten Entscheidung“, schwerpunktmäßig noch einmal „in die Infrastruktur des Klubs zu investieren“. Geld für „so genannte fertige Spieler“ war damit doch gar keines da. Und wer wollte im Nachhinein denn meckern? Prompt schaffte der Kindergarten den Wiederaufstieg, und danach „hatte die Mannschaft mit gutem Fußball so viel Erfolg, dass es reichte, um die Klasse zu halten.“

Jetzt soll dieser Fußball („Einige von unseren Jungen sind nun keine Greenhorns mehr“) noch besser werden. Und er muss es auch. Weil Finke ganz genau weiß, dass der taktische Entwicklungsstand in der Bundesliga weit höher ist, als das „vermuten lässt, was in den letzten zwei Jahren zum Thema Nationalmannschaft diskutiert wurde“. Mit klassischem Libero wird im deutschen Oberhaus mittlerweile so selten gearbeitet wie mit sturer Manndeckung in der Innenverteidigung oder Sonderbewachern für gegnerische Spielmacher. „Weil fast alle gemerkt haben, dass man dann einen Mann zu wenig im Mittelfeld hat.“

Für Finke hat dieser Fortschritt („Pressing ist zum zentralen Merkmal des Spiels geworden“) auch eine Schattenseite. „Der Systemvorteil“, sagt er, „den wir hier vor ein paar Jahren tatsächlich noch hatten, ist weg.“ Noch mehr müsse man deshalb auf die individuellen Qualitäten der Akteure achten, das auf ständige Positionswechsel getrimmte Spiel noch variabler machen, ohne dabei die Ordnung zu verlieren – „das ist das Entscheidende“. Fingertrommelwirbel.

Der Cheftrainer lehnt sich zurück. Sich nur nicht mehr „zu sehr verbunkern“ in all dem, nicht noch einmal „den Blick über den Tellerrand verlieren“. Den Schnitt vor drei Jahren hat er „auch persönlich genutzt“. Am Ende des Nachdenkens stand ein neues Verhältnis zum Job, das Gefühl ist weg, „vielleicht nur noch die Kraft für ein Jahr zu haben“. Und trotzdem „könnte es sein, dass ich schon nächstes Jahr sage: Ich höre auf, weil ich weiß: Es ist genug.“ Finkes Arme sind jetzt hinter dem Kopf verschränkt. Nein, Sorgen machen muss man sich trotzdem nicht.