Flensburger Hase frisst Kieler Löwen

■ Handball-Bundesliga: In der neuen Saison balgen sich wieder THW und Handewitt

Für seine poetische Ader ist Erik Veje Rasmussen gemeinhin nicht bekannt. Doch wenn es um Handball geht, bemüht der Trainer der SG Flensburg-Handewitt mitunter Legenden aus dem Tierreich. „Wir haben hier einen Haufen Hasen, die herumlaufen. Plötzlich kommt ein großer Löwe rein, der vier Wochen nichts zu fressen bekommen hat. Jetzt frisst der Löwe die Hasen. Kann man sagen, er hat eine Siegermentalität?“, sinnierte der Däne im Flensburger Tageblatt. Gemünzt ist das tierische Gleichnis auf den Branchenkrösus THW Kiel. Will heißen: Wenn die „Zebras“ in sieben Jahren sechs Meistertitel er-gaunern, die Meriten der Flensburger hingegen oft mit dem unerqui-cklichen Zusatz „Vize“ versehen sind, sei das vor allem einem Umstand zu danken: Der wirtschaftlichen Potenz der Kieler. Dabei hat sich die ökonomische Kluft zwischen den Klubs vor dem heutigen Saisonstart noch vergrößert. Während der THW mit einem Etat von 5,5 Millionen Mark auftrumpft, muss sich die SG mit 4,5 Millionen begnügen. „Flensburg erwarte ich nicht auf dem Niveau eines Favoriten“, stichelte THW-Trainer Zvonimir Serdarusic in Richtung Norden.

Gänzlich unbescheiden fallen folglich die Saisonprognosen an der Kieler Förde aus. „Unser Ziel sind drei Titel“, droht THW-Star Magnus Wislander. Beim Kampf um die Trophäen greift der THW weitgehend auf das Team des Vorjahrs zurück. Lediglich zwei neue Spieler komplettieren den Kader. Der Schwede Jonas Ernelind soll das Loch stopfen, das das Ausscheiden von Michael Menzel auf Rechtsaußen gerissen hat. Pikant auch der Wechsel von Morten Bjerre, den die Landeshauptstädter aus seinem bis 2001 laufenden Vertrag in Flensburg herauskauften. Das Hauptproblem der Kieler: Die Saison ist mit 38 Punktspielen, DHB-Pokal, Olympia und Europacup rekordbrechend aufgebläht; der Kieler Kader nicht gerade mit jungen Athleten gespickt. „Eigentlich muss ich resignieren“, schwante Serdarusic. Eigentlich. „Wir wollen trotzdem alles gewinnen.“

In Flensburg bescheidet man sich mit weniger: „Ich möchte einen Titel“, verlautbarte Trainer Rasmussen. Immerhin war die SG viermal in fünf Jahren Vize-Meis-ter, unterlag im Vorjahr dem THW im Pokalfinale und scheiterte im Europacup-Endspiel an einem Auswärtstor. Ein Blick auf den Kader lässt dennoch wenig Hoffnung keimen. Mit dem Dänen Lars Krogh Jeppesen (Bauchmuskelprobleme) wurde ein notorisch verletzter Akteur geholt, der in der Vorbereitung kaum spielen konnte. Im Rückraum soll Maik Makowka nach dem Wechsel von Bjerre die Lücke schließen. Bleibt der 38-jährige Bogdan Wenta. Ihm ist im Rudel der Nervenschwachen die Rolle des „Leitwolfs“, pardon, „Leithasen“ zugedacht.

Dennoch ist Flensburg fit für die neue Saison. Am Mittwoch besiegte die SG den THW Kiel im Super-Cup-Finale in Hannover mit 20:19. Vielleicht langt es ja doch zur Meisterschaft. Dann aber müsste Erik Veje Rasmussen erklären, wie er es schaffte, dass Hasen Löwen fressen. Matthias Anbuhl