Hamburg strahlt nach Berlin

Klappt die Übernahme der Bewag durch die Hamburgischen Electricitäts-Werke, dürfte Schluss sein mit umweltfreundlicher Energie aus der Hauptstadt. Greenpeace: HEW setzt knallhart auf Atomstrom

von BERT SCHULZ

In Berlin kommt in Zukunft wohl Atomstrom aus der Steckdose. Übernehmen die Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) wie angekündigt die Bewag, droht dem System der Kraft-Wärme-Kopplung mit zwölf hiesigen Kraftwerken das Aus. Denn die HEW setzt vornehmlich auf vermeintlich billigen, aber eigentlich unberechenbaren Atomstrom. Politiker und Experten befürchten deshalb, dass der neue Haupteigner der Bewag in großem Umfang Strom aus Kernkraftwerken nach Berlin importiert. Die ökologische Insel, die die Stadt derzeit auf dem Energiemarkt noch bildet, würde untergehen. Bewag-Strom wäre nicht mehr per definitionem ohne Atomkraft erzeugt.

Bei der Kraft-Wärme-Kopplung wird nicht nur Strom aus Kohle, Gas oder Öl gewonnenen. Die Verbrennunghitze fließt zudem ins Fernwärmenetz. Das System gilt wegen seiner hohen Energieausnutzung von etwa 80 Prozent als umweltfreundlich. Das sei ein Grund, warum bisher nur wenige Berliner zu Ökostrom wechselten, so der Umweltverband BUND: „Bis Ende April lediglich 0,5 Prozent.“

Bisher bietet die Bewag drei „Stromarten“ an: Neben Ökostrom aus regenerativen Energien wird zwischen „BerlinKlassik“ und „MultiConnect“ unterschieden. Ersterer stammt aus eigenen Kraftwerken mit Kraft-Wärme-Kopplung, letzterer auch aus Atomkraftwerken: Er wird von der Bewag zugekauft. Diese Unterscheidung könnte langfristig hinfällig werden.

Prinzipiell habe die HEW bisher „knallhart auf Atomstrom“ gesetzt, erklärte die Greenpeace-Sprecherin Susanne Ochse. Der Betrieb besitze das AKW Brunsbüttel zu zwei Dritteln, das AKW Krümmel zur Hälfte sowie Anteile an den AKWs Stade und Brokdorf. Über 60 Prozent der gesamten Stromerzeugung der HEW stammt aus Uran.

Sollte die überraschende Übernahme zu Stande kommen, befürchtet der BUND-Landesgeschäftsführer Stefan Bundscherer eine „deutliche ökologische Verschlechterung“ und ein Ende des Systems der Kraft-Wärme-Kopplung in Berlin. Der Grund: „Wir gehen davon aus, dass dann der Druck durch den internationalen Wettbewerb auf die Bewag sehr stark wird.“ Kunden der Bewag rät Bundscherer im Falle einer Übernahme, sich bei ihrem Energieversorger nach der Herkunft des gelieferten Stroms zu erkundigen.

Der finanzpolitische Sprecher der Grünen, Burkhard Müller-Schönau, sieht durch eine Übernahme der Bewag die Gefahr, dass „Fernwärme zum Auslaufmodell“ wird und die Kohlendioxidbelastung ansteige.

Für Klaus Wowereit, Fraktionsvorsitzender des SPD, ist gar die Existenz der Bewag unsicher: Es sei fraglich, ob in Berlin in Zukunft überhaupt noch Strom produziert werde.

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