Gerangel um die Startplätze

Gebote für die Mobilfunkfrequenzen überschreiten die 40-Milliarden-Grenze. Dabei ist die Technik zur Nutzung des UMTS-Standards noch gar nicht ausgereift

BERLIN taz ■ Die Gesamtangebote für die neuen UMTS-Mobilfunkfrequenzen haben gestern die 40-Milliarden-Mark-Marke überschritten. Nach der 110. Runde lagen die Gebote bei 42,6 Milliarden Mark. Für jeden der zwölf Frequenzblöcke wurden zwischen 3,5 und 3,7 Milliarden geboten. Das Gesamtgebot könnte spätestens heute mehr als 50 Milliarden Mark erreichen.

Die Zulieferer bereiten sich jetzt intensiv auf den neuen Markt vor. Schon im Frühjahr 2001 will Japan UMTS kommerziell anbieten, im August dann Spanien. „Bis dahin ist die Technik reif“, sagt Siemens-Sprecher Torsten Drzisga. Die Mobilfunkabteilung von Siemens in München ist einer der führenden Hersteller und Entwickler von Mobilfunknetzen. Drzisga bestätigte, dass der Konzern sich gezwungen sehe, einen ganzen Forschungsbereich, der sechs Jahre mit einem Aufwand von 2 Milliarden Mark an der Entwicklung von eines neuen Kabel-Standards gearbeitet hat, aufzulösen. In einer internen Rundmail, die der taz vorliegt, heißt es weiter, Siemens werde alle Ressourcen in die Techniken UMTS und GPRS, eine Weiterentwicklung von GSM, stecken: „Dann kann in den entsprechenden Sparten keiner mehr an uns vorbei.“ 2001, so Drzisga, werde Siemens Trial-Systeme ausliefern, mit denen die UMTS-Anbieter die Alltagstauglichkeit mit etwa 100 Nutzern testen können.

Mobilcom-Chef Gerhard Schmidt geriet dagegen in die Kritik, weil er ankündigte, schon in der ersten Hälfte 2002 mit einem eigenen UMTS-Netz am Markt zu sein. In Branchenkreisen wird das für nicht seriös gehalten: „Dieses Netz kann allenfalls im Vorgarten von Herrn Schmidt in Betrieb gehen.“

Das größte Problem für Greenfielder, also Anbieter, die über keine eigene Infrastruktur auf dem deutschen Markt verfügen, wird sein, Standorte für ihre Sendemasten zu finden. Und sie werden sich als Neukunden der Systemanbieter mit ihren Lieferwünschen erst mal hinten anstellen müssen.

Dass man den Kunden bis Anfang 2002 ein arbeitsfähiges Netz bieten kann, glaubt nicht mal Deutschlands größter Mobilfunk-Anbieter, die Telekom-Tochter T-Mobil. Sprecher Philipp Schindera sagte der taz, er rechne frühestens in zweieinhalb bis drei Jahren mit den ersten UMTS-Netzten. Der Düsseldorfer Unternehmensberater Arno Wilfert von Arthur D. Little hält das noch für optimistisch. In den Jahren 2001 und 2002 werde es ein Auftragshoch für Sendemasten und Übertragungstechnik geben, das mit den derzeitigen personellen Kapazitäten nicht zu bearbeiten sei. Die Hersteller aber „werden ihre Fertigungskapaziäten nicht so stark ausbauen wollen, weil sonst die Gefahr besteht, dass sie 2003 und 2004 auf personellen Überkapazitäten sitzen bleiben“.

Die Entwicklung des bestehenden GSM-Netzes spricht gegen diese Ansicht. T-Mobil hat seit 1992, also dem Startjahr von GSM, 7,5 Milliarden Mark investiert und in den beiden vergangenen Jahren jeweils 1, 5 Milliarden. In ähnlichen Größenordnungen bewegen sich die Investitionsvolumina bei Viag Interkom, das sich wie T-Mobil und Mobilcom um UMTS-Lizenzen bewirbt. Sprecher Michael Rebstock will nicht ausschließen, dass es zu Lieferengpässen bei Sendeeinheiten und UMTS-tauglichen Mobiltelefonen kommt.

Mit 5.000 bis 10.000 zusätzlichen Standorten rechnet Rebstock für das neue UMTS-Netz. Mitte bis Ende 2002 will Viag Interkom am Markt sein. Den Mobilcom-Termin Anfang 2002 hält auch Rebstock für unrealistisch. Mobilcom habe kein eigenes Netz und könne sich nicht auf vorhandene Infrastruktur stützen. Viag Interkom sucht derzeit europaweit 500 zusätzliche UMTS-Spezialisten.

THORSTEN DENKLER