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Kollektion Bauklötzchen

Markenmode für das Vorschulalter: Im Ku’damm-Karree treffen sich Legoisten neuerdings im ersten Lego-Wear-Store

Der Ort ist schlecht gewählt. Hier, in der Passage Ku’damm-Karree, zwischen dunklen Trinkerstuben, verwaisten, grau verklebten Ladenzeilen und lichten, beinahe leeren Galerien, hier will Lego sein neues Marktsegment präsentieren. Das wird nicht funktionieren. Seit einer Woche gibt es in Berlin den ersten Lego-Wear-Store Deutschlands und es sieht ganz so aus, als bliebe das Kinderkleidungsparadies von kleinen und großen Käufern eher unbemerkt.

Wer jedenfalls glaubt, hier Kinder im glücklichen Kleiderkaufrausch zu erleben, zwischen Lego-Spieltisch, Lego-Jackenständer und Lego-Burgumkleidekabine begeistert hin und her rasend, der wird enttäuscht. Zumindest wer in der ersten Lego-Verkaufswoche so in der Mittagszeit in den Lego-Laden kam, der konnte leider nur drei Verkäuferinnen treffen, die wegen kompletten Kundenmangels und manischer Beschäftigungslosigkeit wild entschlossen schienen, einen perfekt organisierten Laden noch etwas perfekter zu machen. Aufs schönste zusammengefaltete Lego-Pullover noch etwas schöner zusammenzufalten. Lego-Schulranzen und Lego-Federmäppchen aus dem Lego-Cargo-System immer noch ein wenig rechtwinkliger zu rücken. Ein trauriger Anblick. Und selbst nachdem man den Verkäuferinnen-vom-Leibe-halt-Klassiker „Ich schau mich nur ein wenig um“ aufgesagt hat, wird man derartig mit gelangweilten Hilfsangeboten überhäuft, dass man gar nicht in Ruhe die Lego-Herbstkollektion prüfen kann.

Trotzdem lässt sich über diese Kollektion immerhin so viel sagen: Das Großartigste an ihr ist das Signet – das kurze Zauberwort als bauchige, luftballonale weiße Buchstabenkombination auf rotem Grund. Das Lego-Logo ist einmalig. Es ist das Abzeichen einer Religion, einer ersten Kinder-Marken-Religion und schmückt auch die recht gewöhnlichen Minianoraks, die diesen Herbst nicht in leuchtend bunten Legofarben, sondern mehr so in gedecktem Braun sind. Kinder werden es lieben.

Auch wenn Lego für diese ganze Kollektion natürlich nichts weiter als seine Namenslizenz erteilt hat, die ganzen Jacken, Pullover, Unterhöschen und Mini-Socken aber vom größten Textilkonzern Nordeuropas, von der Brandtex-Gruppe hergestellt werden. Man kann es auf jeden Fall mit einigem Stolz tragen. Das kleine Schildchen lässt den Lego-Geist wehen, lässt kleine Markenfetischisten mit einer ganz neuen Sicherheit den Kindergartenkollegen entgegentreten, macht es dem Legoisten möglich, die innerste Spielüberzeugung endlich auch selbstbewusst auf die Straße zu tragen. Und später sogar mithilfe des Lego-Cargo-Systems in die Schule. Und wenn sich das Universalkonzept der Legos noch ein bisschen weiter ausbauen lässt, auch ins Studium und in den Beruf.

Nur einen anderen Geschäftsstandort, den wird sich Lego noch leisten müssen. Das Ku’damm-Karree ist für Legoisten der gänzlich falsche Ort.

VOLKER WEIDERMANN

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