piwik no script img

Ein guter Lehrfilm

Der FC Energie Cottbus verliert sein erstes Bundesligagspiel mit 1:3 beim SV Werder Bremen. Der Aufsteiger spielte auf allen Positionen grottenschlecht

aus Bremen JOCHEN GRABLER

Es schien ihm doch einigermaßen mulmig zu sein, dem Mann, der sonst so gerne vierschrötig daherkommt. Nachdem er ausführlich die Defizite seiner Kickertruppe an diesem Wochenende gegeißelt hatte, hielt Eduard Geyer kurz inne – schließlich musste ein, wenn schon nicht versöhnlicher, dann wenigstens irgendwie zukunftsweisender Schluss her. Wobei das Zögern doch ein wenig zu lang geriet: „Ich hoffe, dass das an den schwachen Nerven lag.“ Und dann dieses mulmige Gesicht dazu – nein, dieses 1:3 bei Werder Bremen war alles andere als ein optimistisch stimmender Start der Cottbusser in die erste Bundesliga. Und das ist noch ziemlich untertrieben.

Ein Traumtor von Miriuta nach einem Viertelstündchen, aber das nach einem Freistoß. Herausgespielte Chancen gab es gerade mal eine einzige in 90 Minuten, und die semmelte Reghecampf ans Außennetz. Weitere konstruktive fußballerische Bemühungen – nicht der Rede wert.

„Ein Lehrfilm“ sollte das Video vom Betriebsausflug der Cottbusser in Bremen sein, sagte Coach Geyer hernach. Seine Combo kann Nachhilfe reichlich gebrauchen. Keeper Piplica machte zwar manchen Weitschuss unschädlich, doch mit dem gemeinen Bällefangen hat er es nicht ganz so.

Die Abwehr um Interimslibero Kevin McKenna war derart unorganisiert, dass beispielsweise beim 2:1 der Bremer kurz vor der Halbzeit das Spielgerät zwar lange – sehr lange – durch die Luft segelte, aber trotzdem gleich zwei komplett unbedrängte Werder-Angreifer zur Vollstreckung bereit standen.

Derartige Anfängerfehler gab es gleich dutzendweise. Und wenn die roten Abwehrspieler mal in Überzahl waren und den Ball kontrolliert nach vorne bringen konnten, dann wamsten sie die Pille meistens einfach stumpf in Richtung Bremer Tor, gerne mal ins Aus. Intelligente Spieleröffnung war ihre Sache nicht.

Was vielleicht auch an der Abteilung vor ihnen lag. Da werkelte nämlich ein Mittelfeld, das den Bemühungen der Bremer Kreativlinge um Andy Herzog und Raphael Wicky nur staunend zuguckte und entsprechend hinterherzappelte, beziehungsweise -grätschte. Und vom Angriff kann gesagt werden, dass er praktisch nicht vorhanden war.

So überfordert, so unorganisiert und bleibeinig die Cottbusser über den Platz stolperten, so leichtfüßig und bestens eingespielt wirkten dagegen – was Wunder! – die Bremer. Bloß können die sich nun angesichts der eher mängelbeladenen Gegenwehr über die Qualität der eigenen Bemühungen alles andere als sicher sein. Mulmige Gefühle also auch hier. Trainer Thomas Schaaf hielt sich mit Lob für sein Team eher zurück. „Insgesamt“ sei er „schon zufrieden“, brummelte der Trainer, „auch wenn wir wieder zahlreiche Chancen nicht genutzt haben“.

Immerhin glänzte ein Bundesliga-Frischling. Er sei schon ein paar Minuten lang nervös gewesen, meinte der Bremer Stalteri mit einem etwas verdrucksten Lächeln nach dem Abpfiff. Gemerkt hat man davon nichts. Er wirbelte mal auf dem linken, mal auf dem rechten Flügel, ließ sich zurückfallen, nur um geradezu ailtonesk pfeilschnell in die Cottbusser Abwehrlücken zu stoßen, flankte, schoss, kombinierte zum derartigen Entzücken der Zuschauer, dass die applaudierend aufstanden, als zehn Minuten vor Ultimo der Neuling in den vorzeitigen Ruhestand gehen durfte. Gleich zwei Tore im ersten Bundesligaspiel, nicht schlecht – auch wenn das erste vom unglücklichen Pfeifenmann Stark mangels korrekter Regelauslegung nicht gegeben worden war.

Während sich Werder also zarte Hoffnungen machen darf, in dieser Saison eine schlagkräftige Truppe beisammenzuhaben, ging die erste Bewährungsprobe der Cottbusser voll in die Hose. Wobei Trainer Eduard Geyer doch eine versöhnliche Formel gefunden hat: „Das war halt ein guter Anschauungsunterricht für uns.“

SV Werder Bremen: Rost - Tjikuzu, Baumann, Verlaat, Skripnik - Eilts (73. Frings), Wicky - Herzog, Bode (76. Trares) - Pizarro, Stalteri (81. Bogdanovic) FC Energie Cottbus: Piplica - McKenna (75. Micevski) - Beeck, Matyus - Reghecampf, Thielemann, Latoundji, Miriuta - Franklin (67. Helbig) Tzvetanov - Labak (50. Horvath) Zuschauer: 30 660; Tore: 0:1 Miriuta (16.), 1:1 Stalteri (34.), 2:1 Bode (45.), 3:1 Pizarro (70.)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen