Trittin auf der Insel

Der Umweltminister macht Werbung für den Naturschutz und warnt die Bauern, sich gegen diesen zu sperren

HIDDENSEE/BERLIN taz ■ Naturschützer, das sind doch normalerweise Vogelgucker und Fröschezähler – oder? Ganz anders sieht es aus, wenn ein Minister Naturschützer ist. Unter Nutzung sämtlicher Verkehrsmittel (Hubschrauber, Wassertaxi, Bus, Fahrrad) und mit äußerst raumgreifenden Schritten besuchte Bundesumweltminister Jürgen Trittin Ende vergangener Woche zwei der drei Nationalparks Mecklenburg-Vorpommerns: die Insel Hiddensee als Teil des Nationalparks Vorpommersche Boddenlandschaft und den Nationalpark Jasmund auf Rügen.

Ziel des Ministers war nicht die kontemplative Betrachtung der Weißdornbüsche, sondern Werbung für die Parks. Denn auf Hiddensee ist längst gelungen, was sich Jürgen Trittin von der anstehenden Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes erhofft: Naturschutz und Naturerlebnis zu verbinden. Pro Jahr hat die lang gestreckte Insel vor der Westküste Rügens 400.000 Tagesgäste, und 35.000 urlauben länger als einen Tag.

Ein Großteil der Gäste bleibt allerdings auf den „Hauptstraßen“, wie Bernd Blase, Leiter des Nationalparks, die meistgenutzten Wege nennt. Hiddensee steht außerhalb der Ortschaften ganz unter Schutz, private Autos sind nicht erlaubt. So können Besucher Kanadagänse und Kormorane beobachten, durchs Schilf spazieren, Königskerzen oder Natternkopf sehen. Und umgekehrt kommen Mücken auch mal an Ministerblut.

Der Erfolg des erlebten Naturschutzes ist allerdings nicht unproblematisch: Der typische Magerrasen verträgt nicht Hunderttausende. Tourismus zu lenken ist daher das Ziel von Nationalparkchef Blase. Er setzt sich außerdem dafür ein, dass die Insel rundum ökologischer wird. Der Müll wird nicht mehr auf Hiddensee deponiert, sondern auf Rügen. Die Ölheizungen der 1.400 Inselbewohner soll bald durch den Erdgasanschluss ersetzt werden.

Der touristische Erfolg des Konzepts ist so groß, dass jetzt schon Besucher für das nächste Jahr vorbuchen; spontane Ferienwochen sind innerhalb der Saison kaum möglich. Für solche Glanzlichter lohnt sich Naturschutz also wirtschaftlich. Anderswo sind die Bedenken noch lange nicht ausgeräumt. Die geplanten Änderungen im Naturschutzgesetz stoßen vor allem in der Landwirtschaft auf Kritik.

Ziel des neuen Naturschutzgesetzes ist es unter anderem, ein bundesweites Biotop- Verbundsystem zu schaffen. Dafür sollen die Bundesländer zehn Prozent ihrer Landesflächen verwenden. Der Deutsche Bauernverband hatte vor einem solchen Verbundsystem gewarnt. Dieses Vorhaben werde zu einer regelrechten „Trophäenjagd“ um Flächen führen.

Trittin wies die Kritik am Wochenende in einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa allerdings als „realitätsfremd“ zurück: „Die Landwirte, die heute zum Großteil von Transferleistungen leben, weisen einen wichtigen Partner der Zukunft, den Naturschutz, zurück. Schließlich wird den Bauern nicht die Fläche entzogen, wie das zum Beispiel beim Straßenbau der Fall ist, sondern sie bekommen Geld dafür, wenn sie die Flächen unter Naturschutzgesichtspunkten weiter nutzen.“ Es zeichne sich ab, dass die Agrarwirtschaft in spätestens zehn Jahren keine Subventionen mehr ohne Naturschutz erwarten könne. Der Naturschutz sei also eine zukunftsträchtige Einnahmequelle, meinte der Minister. MAIKE RADEMAKER