„Medikamente, die leben“

Gesundheitspolitiker Wolfgang Wodarg hält das Klonen menschlicher Zellen für ethisch nicht vertretbar

 taz: In Großbritannien soll das therapeutische Klonen menschlicher Zellen freigegeben werden. Was halten Sie davon?

Wolfgang Wodarg: Die Forschung mit embryonalen Stammzellen, bei der menschliches Leben verbraucht wird, sollte meines Erachtens nicht erlaubt werden. Hier werden ganze Menschen beziehungsweise ihre Knospen, die Embryonen, genutzt und dann zu Medikamenten gemacht. Wir dürfen aber nicht erlauben, dass die Industrie aus zwei Menschen einen Menschen machen darf.

Auch wenn es sich bei dem menschlichen Leben erst um einzelne Zellen handelt?

Auch dann nicht. Denn es gibt durchaus alternative technische Verfahren, wo bereits aus pluripotenten Zellen, also solchen, aus denen sich kein Mensch mehr bilden kann, menschliches Gewebe hergestellt werden kann. Zum Beispiel kann man gespendete Knorpelzellen inzwischen im Reagenzglas vermehren und die neuen Knorpelzellen dann wieder reimplantieren. Ein solches Verfahren ließe sich sicher noch vervollkommnen und zum Beispiel auch auf Nervenzellen anwenden.

Viele Forscher meinen, im therapeutischen Klonen liege eine enormes Potenzial, um Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson zu besiegen und später Spenderorgane zu züchten. Sollte man diese Chance nicht nutzen?

Wir müssen keine embryonalen Stammzellen dafür nehmen. Wir können auch Körperstammzellen nehmen. Die Forschung ist da auch in Deutschland schon sehr weit. Wenn wir tatsächlich Menschen für Medikamente instrumentalisieren, dann stellen wir unser Menschenbild grundsätzlich in Frage – und unsere Verfassung. Was da möglich sein kann, das sollten wir erst mal in Ruhe debattieren – und uns nicht von den Briten durch ihren Vorstoß unter Druck setzen lassen.

Gilt Ihre Ablehnung auch, wenn ein Patient eigene Körperzellen dafür spendet?

Ich denke schon, dass es ein medizinisches Verfahren geben kann, bei dem ein Patient eigene Zellen spendet, aus dem über Stammzellen neue Organe gezüchtet werden. Aber das dürfte nur individuell angewandt werden, und man müsste klare Grenzen ziehen, um Missbrauch zu verhindern. Ich glaube aber nicht, dass die Industrie an einzelnen Patienten Interesse hat – das wäre viel zu aufwendig. Es geht um industriell hergestellten Organersatz, um Medikamente, die leben. Das ist es, was die Briten wollen. Dort werden auch Embryonen genommen werden, die von der künstlichen Befruchtung übrig bleiben. Das ist ethisch nicht zu rechtfertigen.

INTERVIEW: MATTHIAS URBACH