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: Das Sommerloch, eine Gewohnheit zweiter Ordnung

Chancenloses Herbstloch

Die Welt ist wie immer sehr interessant, was es da nicht alles gibt. Zum Beispiel das Sommerloch. Das Sommerloch gehört gewiss zu den widersprüchlichsten Phänomenen dieser Zeit, auch in diesen Monaten ist es wieder zu bestaunen. Zu seinen besonderen Charakteristika zählt, dass es einerseits mächtig scheint, groß und konkret, dass es andererseits aber auch flüchtig ist, unfassbar und den Blicken entzogen. So zeigt sich seine Existenz nur durch die Nicht-Existenz von etwas anderem. Es ist dialektisch, es ist nicht das, was ist, sondern das, was nicht ist. Jahr für Jahr kehrt es wieder und hat sich so über die Zeit zu dem entwickelt, was man eine Gewohnheit nennt.

Wie bereits vor Wochen an dieser Stelle stichhaltig erläutert, ist die Gewohnheit der natürliche Feind des Trends. Und so hat auch in diesem Sommer das Sommerloch viele hoffnungsfrohe Trends sprichwörtlich auf dem „Gewissen“. Zu nennen wären dabei die Fast-Trends Extreme Dating, Single Partys, Robert Stadlober sowie die Rückkehr der Flügelarm-Jacke. Das Sommerloch ist in diesem Zusammenhang ein Phänomen von beinah physikalischer Tragweite, es ist, um es salopp zu formulieren, eine Trend-Vernichtungs-Maschine. Es lässt Trends blass aussehen, überzieht sie mit einem Grauschleier und macht sie mit- hin für alle Welt uninteressant. Der Trend ist damit schon verschwunden, bevor er noch öffentlichkeitswirksam seine Signale aussenden kann.

Doch im Gegensatz zu den üblichen Gewohnheiten ist das Sommerloch eine Gewohnheit besonderer Ordnung. So ist das Sommerloch-Trend-Verhältnis grundsätzlich von den herkömmlichen Gewohnheit-Trend-Beziehungen zu unterscheiden. Denn Trends, so lautet die Faustregel, setzen sich schon deshalb niemals durch, weil das sie letztlich davor bewahrt, zu Gewohnheiten zu werden. Die Möglichkeit zur Gewohnheit steckt also potenziell in den Trends selbst, sie sind also ihre eigene Gefahr und können sich folglich selbst aufheben. Das Sommerloch hingegen, das vor Jahren, daran kann sich mittlerweile niemand mehr genau erinnern, wahrscheinlich einmal ein Trend war, sich durchsetzte und so zu einer Gewohnheit wurde, steht nun den Trends von außen gegenüber. Es ist damit eine Gewohnheit zweiter Ordnung und damit umso gefährlicher.

Bemerkenswert ist dabei, dass das Bewusstsein über die Existenz des Sommerlochs, welches sich, wie oben näher erläutert, ja nur über die Nicht-Existenz anderer Dinge herstellt, die Macht des Sommerlochs nur verstärkt. Es ist dabei festzustellen, dass sich die Beschäftigung mit dem Sommerloch proportional auf seine Größe auswirkt. Unter diesem Aspekt stellt sich die Frage, ob – nur als Gedankenspiel, versteht sich – die geschickte Lancierung eines Herbstloch-Trends zu einer Herbstloch-Gewohnheit führen würde, die sich auf diese Weise in Zukunft allen Herbst-Trends für immer feindlich gegenüberstellen würde. Die Frage ist nicht so abwegig, wie man denkt, die Wahrscheinlichkeit eines Herbstloches aber dennoch gering. Warum?

Ein Trend namens Herbstloch würde sich schon deshalb niemals als Gewohnheit durchsetzen, weil der Begriff Herbstloch unschön klingt und aus diesem Grunde nur bedingt trendtauglich ist. Ähnlich verhält es sich mit den Jahreszeiten Frühling und Winter. In Monaten wie diesen bleibt Trendforschern oft nichts anderes übrig als abzuwarten und die Wirkungsweisen von Trends und Gewohnheiten im öffentlichen Leben näher zu untersuchen. Doch bald wird das Sommerloch zum Rückzug ansetzen, um neuen Trends Platz zu machen. Dann werden wir uns über die Rückkehr 80er-Jahre unterhalten, das Jahrzehnt, als man Trends noch Moden nannte.

HARALD PETERS