Brüllen für Heß

Zum Todestag des Hitler-Stellvertreters gingen Neonazis unbehelligt auf die Straße. Plakataktionen im Osten

BERLIN taz/dpa ■ Das Spektakel dauerte nur wenige Minuten. Rasch hatten sich etwa 60 Glatzen auf der Strandpromenade von Warnemünde in der Nacht zum Donnerstag zusammengefunden, entzündeten ein paar Fackeln und maschierten hintereinanderweg. „Rudolf-Heß“ und „Sieg Heil“ hörten einige Urlauber sie rufen. Dann war auch schon ein alarmierter Streifenwagen da, und die Männer sprangen an den Strand zurück.

Beim nahegelegenen Parkplatz nahm ein mobiles Polizeieinsatzkommando anschließend 42 Rechte in Empfang. Ihr Aufmarsch war offenbar gut organisiert. Weder Spruchbänder noch Neonazipamphlete – die Beamten fanden keine Spur in den Autos. Alle hatten einen Personalausweis dabei. „Es gab keinen Grund, sie in Gewahrsam zu nehmen“, bedauert der Polizeisprecher von Rostock. Aufgrund der Parolen wird gegen die Gruppe wegen „Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ ermittelt.

Auch in anderen Städten versuchten Neonazis den Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß zum 13. Todestag zu preisen. In Gera stellten Polizisten einen 15-Jährigen, der Heß-Bilder in der Stadt anbringen wollte. Einen 20-Jährigen nahmen sie fest, weil er ein Hakenkreuz als Gürtelschnalle trug. In Gera und Altenburg sammelte die Polizei Dutzende Heß-Aufkleber ein. Thüringens Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) sagte, solche Aktionen seien nicht hinnehmbar. „Mit solchen Geisteshaltungen wollen wir nichts zu tun haben“, sagte Vogel im Rundfunk.

Auch in Sachsen tauchten mehrere hundert Schwarzweißkopien mit dem Konterfei von Rudolf Heß auf. Im Gegensatz zu den östlichen Bundesländern blieb es im Westen relativ ruhig. Nur aus Hannover meldete die Polizei einen Vorfall. Bei einer Verkehrkontrolle stoppte sie vier Männer die mit Kleister und Plakaten unterwegs waren.

In Wunsiedel, am Grab von Heß, machten die Beamten keinerlei Beobachtungen. Der Hitler-Stellvertreter hatte sich am 17. August im Kriegsverbrechergefängnis von Berlin-Spandau das Leben genommen.

Die Polizei muss möglicherweise am Samstag in Frankfurt (Oder) Position beziehen. Ein Rechtsradikaler ruft zu einer Demonstration unter dem Motto: Samstag frei für die Polizei. Die Demo ist noch nicht genehmigt. ANNETTE ROGALLA