Soundcheck

Gehört: Omar Sosa. Plattenfirmen und KritikerInnen arbeiten gern mit Schubladen, um ihre Produkte zu verkaufen. Im Falle des Pianisten Omar Sosa ist dessen Musik danach eine Mischung aus kubanischen Stilen, Jazz, Hiphop-Anteilen und Weltmusik-Elementen.

Aus dem Mund des kubanischen Musikers und Komponis-ten klingt das so: „Meine Musik folgt dem Geist unserer afrikanischen Vorfahren. Sie sind bei mir, egal wo ich bin. Ich versuche, auf ihre Stimme zu hören und ihre Botschaft in Musik zu übersetzen“.

Omar Sosa ist ein Anhänger der Santería, eine afro-kubanischen Religion mit manchmal ekstatischen rituellen Zeremonien. Als erstes installierte der weißgewandete und -bemützte Kubaner in der Fabrik auf dem Flügel einen Altar: seinen Gott Eleggua in Form einer kleinen Tonfigur zusammen mit einem roten Schal und einer Kerze. Und dann fuhr der Gott der Lebenswege in ihn hinein, denn Omar Sosa bearbeitete die Tasten wie unter Strom. Fast schien es, als ob seine anderen Körperteile ebenfalls versuchen würden, dem Flügel Musik zu entlocken.

Auch seine Mitmusiker muss-ten einen Teil der Gottheit abbekommen haben. Das galt besonders für den Sänger Will Power, der zu Beginn Eleggua mit voller Stimme huldigte, dabei auch mal hingebungsvoll juchzte und stöhnte, alles mit totalem Körpereinsatz – der Amerikaner turnte wie besessen über die Bühne. Die beiden Trommler, der Saxofonist und der Bassist wirkten dagegen wie schüchterne Schuljungen. Aber alle spielten miteinander: viel Augenkontakt, der sich besonders auf Omar Sosa richtete. Der Kubaner startete oder beendete durch schwungvolle Gesten mit den Händen die Einsätze „seiner“ Musiker.

Die Jungs spielten fast zwei Stunden, und zwar durchgehend. Eine Performance mit sehr viel Dynamik. Eine expressive, schnelle Sequenz zum Beispiel mit rasanten Läufen über die Flügeltastatur und schweißtreibenden Beckeneinsatz des Schlagzeugers, die auf dem Höhepunkt nicht endete, sondern überraschend und punktgenau in eine meditative Einheit mit leisem Saxofon und dezentem Congaspiel überging. Alles fein ausgesteuert. Ein Augen- und Ohrenschmaus. Sven Tietgen