Wechselnde Winde

■ Kleine Theater, Teil 4: Sprechen, Tanzen, Russisch reden im Monsun-Theater, einem ehemaligen Senf- und Essiglager Von Petra Schellen

Ihr Motto ist die Kargheit, aber in ihrem Büro steht ein Biedermeierbett: Wie lassen sie sich vereinbaren, die Widersprüche im Wirken von Ulrike von Kieseritzky, der seit zweieinhalb Jahren tätigen Leiterin des Monsun-Theaters, wie will sie das Idyll im Innenhof in Einklang bringen mit der Idee, Arbeit und Leben so zu verbinden, dass kein Rückzug ins Private mehr bleibt? „Naja, das waren Ideen der 70er und 80er, der Gründerjahre des Monsuntheaters, das in diesem Jahr zwanzig wird.“

Intensiv wollten sich Jürgen Dembski und seine zunächst vier Kollegen der Tanztheaterarbeit widmen, ihre ganze Persönlichkeit einbringen in das theatralische Schaffen in den kleinen Ottenser Räumen, die übrigens früher als Senf- und Öllager dienten. Später zog eine Autowerkstatt ein, während im Obergeschoss schon das Theater probte. Zeichen jenes wechselhaften Monsun-Windes, der Motto und Name des Theaters ist? „Keine Ahnung, aber im Nachhinein betrachtet war es sicher günstig, dass die Werkstatt dann auszog“, sagt von Kieseritzky nur kryptisch.

Reines Tanztheater sollte damals – in den Achtzigern – in den Räumen in der Friedensallee stattfinden, Schüler durch ein 1986 gegründetes Theaterinstitut angelockt werden. Und dann begann die Zeit der großen Tanztheater-Festivals auf Kampnagel. „Die hatten natürlich räumlich viel mehr Möglichkeiten als das Monsun-Theater, sodass viele Künstler dorthin abwanderten; außerdem wurden sie viel stärker gefördert“, sagt von Kieseritzky.“

Multikulturell war und blieb das Monsun-Theater trotzdem, holte indische und japanische Lehrer an die Tanzschule – „das war damals ziemlich einzigartig“. Angst vor Konkurrenz? Habe sie nie gehabt, auch heute nicht: „Konkurrenz belebt das Geschäft. Ich will weiterhin Experimentelles veranstalten, denn die kleinen Bühnen sind immer noch Sprungbrett für junge Künstler“. Das Sprechtheater hat sie schon in der vorigen Spielzeit ausgebaut; „aktuelle Themen“ findet sie am wichtigsten – Faschismus, Ökologie, Erhalt von Arbeitsplätzen. „Theater ist immer ein Gegenentwurf, zum Fernsehen zum Beispiel. Denn Theater trifft das das Bedürfnis der Leute, eben nicht in virtuellen Welten zu surfen, sondern etwas zu erleben, das genau so kein zweites Mal passiert.

Dem Massengeschmack ordnet sie sich damit noch lange nicht unter, wie sie betont, ist aber Realistin genug, eine „Sekundärstrategie“ zu fahren – die Tango-Tanznacht zum Beispiel, die als Treffpunkt gedacht ist und letztlich „auch der Sponsorenfindung dienen kann“.

Aber das reicht nicht, ebensowenig wie der städische Zuschuss, der nicht einmal die Miete deckt. Workshops gibts in den Monsun-Räumen, um finanziell über Wasser zu kommen – und um sich zum Beispiel den Schwerpunkt „Osteuropa“ leisten zu können: Zweimal jährlich werden Produktionen des russischen Regisseurs Evgeni Mestetchkin geboten, zweiwöchentlich russische Salons, die zweisprachig moderiert werden und als Mischung literarischer und politischer Diskussionen gedacht sind.

Was es noch im Monsun-Theater gibt? Den Schwerpunkt Musik, angeregt durch die viermal jährlich organisierten Gesangs-Meisterkurse und die im vorigen Dezember in eine Hänsel und Gretel-Inszenierung, für die Kinder. Und, für ihre Eltern – vielleicht: die erste komplette Eigenproduktion: das Per Gynt Hotel, inszeniert von Jens Paarmann nach dem Ibsen-Stück – das gleich zu Beginn eine Prise Verwirrung erzeugen wird, weil am Eingang eben nicht „Monsun-Theater“ stehen wird, sondern Peer Gynt Hotel.

Peer Gynt: War das nicht der, der seine Identität gerade deshalb nicht fand, weil er wie besessen danach suchte? Und der immer „außen rum“ gehen musste, weil es sein Schicksal war, genau dies zu tun – aber nur, solange er es nicht systematisch tat? Ein eigenartiges Stück und Motto, am 23. September, zum 20jährigen Jubiläum des windumtosten Monsun-Theaters...