Ein anderer Weg des Abschieds

■ Eigentlich sind die Pfründen verteilt, aber Astara Schmidt will noch mitmischen: Im September beginnt sie als Bestatterin

Die Tasse ist die Tote. Astara Schmidt packt die Espressotasse und stellt sie neben den Unterteller. „So ist es ja nicht: Die sind tot und wir tun sie weg.“ Sie stellt das Tässchen zurück. Es geht ums Bestatten. Darum, dass „die Toten zwar tot sind. Aber bis sie gegangen sind, dauert es einen Moment.“ Diesen Moment zu gestalten, wie es die Menschen, um die es geht, sich wünschen – das ist Astara Schmidts neuer Job. Neu, weil es erst im September richtig los geht. Dann macht sich die 38-Jährige als Bestatterin und Trauerbegleiterin selbstständig.

„Sinn“ macht diese Arbeit für sie, mehr als alles andere, das sie bisher getan hat. Astara Schmidt hat lange als gelernte technische Zeichnerin gearbeitet. Vor zweieinhalb Jahren stand der Entschluss zur Gründung der eigenen neu gearteten Existenz. Als Kind, erinnert sich die gebürtige Frankfurterin, durfte sie gestorbene Verwandte nicht sehen. „Das war ganz schrecklich.“ Den Tod zu verarbeiteten, „das war eine ganz andere Sache in dem Moment, wo ich den Toten gesehen habe.“ Klar, sagt Astara Schmidt, zuerst sei's traurig, schlimm, schockierend gewesen. „Aber nach einer Weile verwandelte sich das. Da war es plötzlich schön.“ Sie hält inne, guckt auf die Aluplatte des Bistrotischchens, auf der die Sonne ein Muster aus den Schatten der Kastanienblätter zeichnet, schaut auf und sagt: „Das hört sich jetzt vielleicht blöd an. Aber es hatte was Sakrales.“

Begräbnisse in der üblichen Art findet sie „gruselig“. Den Ausschlag für ihre Entscheidung gab die Bestattung einer Freundin. „Da haben wir alles so organisiert, wie wir es wollten. Das hat gut geklappt, weil wir viele waren.“ Aber damit seien die meisten überfordert, wenn ein geliebter Mensch geht: Trauer, Formalitäten, Bürokratie, alles schnell und alles Dinge, die man noch nie oder erst selten erledigen musste. „Extrem schwierig“ sei es in dieser Situation, eigene Vorstellungen zu entwickeln und durchzusetzen. Astara Schmidt: „Da ist dann mein Einsatz.“ Aufbahrung zu Hause, Beerdigung in den Lieblingskleidern, die Trauerfeier so gestalten, wie es sich die Liebsten wünschen – mit Lieblingsmusik, eigenen Reden, ohne strenge Sitzordnung oder respektvollen Abstand zum Sarg – all das will Astara Schmidt künftig für Andere organisieren. Auch, wenn der geliebte Mensch unter der Erde oder im Meer ist, wenn von den Zurückgebliebenen erwartet wird, dass es nun vorbei ist mit dem Traurigsein, auch dann will Astara Schmidt noch zur Stelle sein.

Das Bestattungsgewerbe ist hart. Von Männern dominiert. Die neue Frau kennt die Branche – sie hat bei zwei Bestattern gearbeitet und diverse Fortbildungen absolviert. Sie will keine Konkurrenz sein, ist gar auf Kooperation angewiesen. Denn einen Kühlraum hat sie – noch – nicht, muss den Menschen, dessen Begräbnis sie betreut, bei anderen Bestattern unterbringen. „Das funktioniert“, sagt sie und klingt sicher. Die Neue in der Branche glaubt, sie sei keine Konkurrenz für die anderen, weil sie einen anderen Weg geht. Frauen haben einen „intensiveren Zugang“ zum Thema Tod, findet Astara Schmidt, „mehr Gespür dafür, was in den einzelnen Situationen gebraucht wird.“ Sie ist nicht die einzige Bestatterin in Bremen, aber eine der wenigen.

Der Tod ist Teil vom Leben. Früher sei's nie anders verstanden worden, weiß die Fachfrau, inzwischen täten aber Vereinzelung, Anonymität und Wahn der ewigen Jugend ihr Teil dazu, aus dem Ende irdischen Daseins ein Tabu zu machen. Angst vorm eigenen Sterben? Astara Schmidt lacht auf. „Nein“, sagt sie. Überlegt einen Moment und setzt nach: „Vorm Sterben schon. Vorm Tod nicht.“ sgi