Oslo gegen Rechts

Während für Heß nur 35 Personen marschieren, erlebt Norwegen die seit langem größte Anti-Rassismus-Demo

STOCKHOLM taz ■ Eine der größten Kundgebungen der letzten Jahre gegen Neonazismus und Rassismus erlebte Oslo am Samstag. Über 15.000 Personen hatten sich mittags am Platz Youngstorget versammelt. 123 verschiedene Organisationen, darunter alle politischen Parteien, nahmen teil.

Von der rechtsradikalen Organistaion „Boot Boys“, die mit der Anmeldung einer Gedenkveranstaltung für den Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß diese Gegenreaktion ausgelöst hatten, war niemand zu sehen. Diese führten, mit 35 TeilnehmerInnen, einige Stunden später in Askim, 30 Kilometer südöstlich von Oslo, ihren zehnminütigen „Marsch“ durch. Drei Anträge der „Boot Boys“ auf Genehmigung von Demonstrationen in Oslo hatte die Polizei abgewiesen.

Obwohl die Demonstration in Askim unerlaubt war, ließen die knapp 100 Polizeibeamten die Neonazis unbehelligt demonstrieren. Eine Taktik, die Tor Bach, Vorstandsmitglied der „Norwegischen Vereinigung gegen Antisemitismus“ kritisierte: „Es leben hier noch Menschen, die am eigenen Körper die Ausrottungspolitik der Nazis erlebt haben. Da ist es schändlich, solche Leute gegen Juden hetzen und ,Heil Hitler‘ schreien zu lassen.“

Ein Opfer, der 71-jährige Imre Hercz, Überlebender von Auschwitz, hatte daran erinnert, wie er und seine Eltern vor 56 Jahren aus dem Waggon getrieben wurden und an Josef Mengele vorbeidefilieren mussten, der seine Mutter in den Tod geschickt hatte. „Ich kann es nicht fassen, dass es noch Menschen gibt, die sich dieser Ideologie des Hasses anschließen können.“

Neben Bischof Gunnar Stalsett, der an die schweigende Mehrheit appellierte, aufzuwachen, klagte eine weitere Hauptrednerin, Asta Busingye Lydersen, Vertreterin der „Afrikanischen Jugend in Norwegen“ den Alltagsrassismus an: „Lasst euch nicht davon täuschen, dass wir hier so viele sind, kein Neonazi zu sehen ist und die meisten noch nie einen gesehen haben. Es geht um rassistische Haltungen, die wir bekämpfen müssen. Am Arbeitsplatz, im Einkaufsladen, beim Kollegen. Jeden Tag.“

Die Polizei verhaftete nach der Demonstration in Askim doch noch neun Neonazis. Nicht wegen ungesetzlicher Demonstration, sondern weil ihr Auto gestohlen war und falsche Nummerschilder trug. Und am Samstagabend räumte die Polizei ein Festlokal mit 30 Neonazis aus Norwegen und Schweden, das diese sich ausgerechnet im zu einem Großteil von Ausländern bewohnten Oslo-Vorort Björndal gemietet hatten. REINHARD WOLFF