Freies Schießen

Eine Performance auf der Expo zur Demokratisierung des Krieges von Showcase beat le mot  ■ Von Meike Fries

Bereits seit Mitte August läuft auf der Expo die Reihe RE_public – Zur Wahrnehmung des Öffentlichen als Öffentliches, eine Koproduktion des österreichischen Beitrags zur Expo mit dem Grazer Kunstverein. „Mit der Veröffentlichung des Privaten scheint eine Privatisierung des Öffentlichen einherzugehen,“ so die Kuratoren Sebastian Huber, Eva Maria Stadler und Thomas Trummer. RE_public will daher Öffentlichkeit herstellen an Orten, an denen sie nur scheinbar selbstverständlich ist. Zwölf Künstler beziehungsweise Künstlergruppen wurden eingeladen, mit den Mitteln von Aktion, Interaktion und direkter Rede an der Schnittstelle zwischen privater Verrichtung und öffentlicher Zurschaustellung zu agieren. Das Format „Weltausstellung“ bietet dabei eine Repräsentationsfläche, die als hybride Form des Öffentlichen bespielt werden soll.

So eröffneten Mitte August die Künstler Stermann und Grissemann das Stermann-Museum, in dem als einziges Exponat das Hemd eines Freundes von Stermann zur Schau gestellt wurde, der österreichische Künstler Robert Jelinek komponierte einen Österreichduft, der sich aus den Geruchsnoten Wiener Schnitzel, Bier und Apfelstrudel zusammensetzte und das Aroma der aktuellen politischen Situation Österreichs wiedergeben sollte. John Bock lud unter dem Titel „Schon bezahlt, schon Dir“ auf dem alten Trecker seines Vaters, auf dem er eine Art Tank gefüllt mit Schnaps installiert hatte, zu einer Reise ins Delirium und die Schweizer Künstler Mass & Fieber gingen in einem Feldkongress namens „Dead Cowboys Radio Show“ den Zusammenhängen von Radio, Krieg, Pionieren aller Art sowie der technischen Eroberung des Äthers aus dem Geiste des Wilden Westens nach. Ort des Geschehens der verschiedenen Aktionen ist ein Container, der vom Rotterdamer Atelier van Lieshout speziell für die Reihe gefertigt wurde.

Von einer Reise ins Delirium zurückgekehrt begeben sich die Performer von Showcase beat le mot aus Hamburg und Berlin nun gleich in einen neuen, anderen Schmerz: Besagten Container bauen sie für ihre Show „Jäger“, die den Abschluss der Reihe darstellt, zu einem Schießstand um. Hinter „Jäger“ verbirgt sich eine interaktive Lebend-Installation, für die sich Showcase beat le mot selbst zum Abschuss freigeben. „Du kommst mal eben vorbei und kannst jemanden abballern“ beschreibt Nikola Duric von Showcase ein Motto der Performance. Im demokratischen Geballer wird der Zuschauer zum Akteur.

Vor dem Schießstand wird es für die Expo-Besucher eine kurze Einweisung in verschiedene Schuss-haltungen und in die Handhabung von Gotcha-Gewehren geben. Durics Kollege Veit Sprenger betont, dass es hierbei nicht nur um die Herstellung größerer Treffsicherheit geht, sondern vor allem auch um die Erhaltung der öffentlichen Sicherheit, da die Schüsse für den ungeschützten Körper gefährlich sind. Verschiedene Schwierigkeitsgrade werden durch den Einsatz von Stroboskop-Lampen und einer Nebelmaschine erzeugt.

Zielscheibe werden die Performer selbst sein, die sich hier und da auch zu schönen lebenden tableaux vivants zusammenfinden, die dann kaputtgeschossen werden können. Abgesehen von Schilden und Unterständen, die den Attackierten Schutz bieten, werden sie Rüstungen tragen, durch die dann allerdings nicht mehr erkennbar sein wird, wer sich dahinter verbirgt. Wer also keine Freude daran hat, auf die fünf Performer von Showcase beat le mot zu schießen, kann sich leicht vorstellen, dass Peter Ustinov, Verona Feldbusch oder Birgit Breuel in den Rüstungen stecken. Das gibts nur einmal, das kommt nie wieder.

Verstanden werden kann der „Camouflage-Container“ an diesem Tag als eine Art Versuchsstätte oder öffentliche Schule für Innenraum-Design mit den Mitteln des Krieges: Voraussichtlich wird sich nicht nur das Rüstzeug durch die Treffer, sondern der gesamte Raum im Laufe des Tages durch die danebengegangenen Schüsse verändern. Offene Konfrontation und Schmerz im öffentlichen Raum oder wie es Showcase sagen: „Kranker Sex und Gewalt, und am Ende sieht alles schön aus.“

morgen, ab 11 Uhr, Schokoladenfabrik, Expo-Gelände, Eingang Nord