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die stimme der kritikBetr.: Claudia Schiffer vor der Schallmauer

Bittere Pralinen

Man kann versuchen, nicht daran zu denken, man kann aufhören, die Geburtstage zu zählen. Irgendwann aber hilft gar nichts mehr: Man wird in den Club der 30-Jährigen aufgenommen – ob man Lizzy Müller heißt oder Steffi Graf. Nun also ist die Reihe an Claudia Schiffer: Ab Freitag ist es aus mit ihrem Twen-Dasein – Grund zur Sorge für das Fotomodell? Dem Stern jedenfalls ist das Ereignis eine Titelgeschichte wert. Von Problemen keine Spur. Schiffer ist frisch verliebt und frohlockt: „Endlich richtig leben!“ Konkret: „Ich habe in den vergangenen Monaten einen großen privaten Technikfortschritt gemacht. Ich bin im Internet, ich schreibe und verschicke E-Mails. Es ist großartig, ich dachte immer, das sei alles so kompliziert. Ich weiß gar nicht, wie ich jetzt, ohne online zu sein, leben könnte.“ Erst Boris, jetzt Claudia – Deutschlands Jetset überwindet seine Vorurteile. Nun kann das Alter nicht mehr schrecken! Zum bevorstehenden Geburtstag hat sich Schiffer sogar eine erste Dauerwelle – Modell „Blaue Lagune“ – geleistet.

Aus der Schar der eifrigen Gratulanten hat sich unterdessen Modeschöpfer Wolfgang Joop wie so oft ganz nach vorne gedrängelt – mit einer kleinen Kollektion vergifteter Komplimente, die er via Playboy verbreiten lässt. „Wer jetzt auch nur eine Sekunde darüber nachdenkt“, sinniert Joop in seinem offenen Brief an das Topmodel, „ob dein Glanz mit 30 langsam trübe werden könnte, versteht nichts von Schönheit, die aus dem Inneren kommt.“ Was wohl heißen soll: Schätzchen, jetzt bist du reif für Merz-Spezialdragées. Genüsslich zitiert der gemeine Joop dann auch noch das böse Wort des auch nicht ganz unzickigen Karl Lagerfeld, Schiffer sei ein „Auslaufmodell“. Alles Quatsch! Weil er aber nun schon einmal bildlich im Fahrzeugbereich angekommen ist, sprudeln aus Joop noch ganz andere Blumen des Bösen. „Irgendwie“, schreibt er, „denke ich manchmal, du bist so deutsch und edel wie ein Mercedes ...“ Selbst Joop scheint zu ahnen, dass dieses Lob noch etwas lahm daherkommt. Welches Auto hätten’S denn gern? Eine schwere Limousine oder doch lieber einen kleinen Flitzer aus der A-Klasse? Also textet der Maestro flott weiter: „... wie ein Mercedes, der noch erfunden werden muss ...“ Schon besser, viel besser. Aber da steckt doch noch eine Kugel im Lauf: „... wie ein Mercedes, der erst noch erfunden werden muss, der aber Stoßstangen aus Platin haben wird.“ Wer braucht Feinde bei so einem Freund? REINHARD KRAUSE

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