Extragroschen für die Industrie

Wird das Zwangspfand zu niedrig angesetzt, wie es Trittin vorschwebt, wird es die Mehrwegquote kaum steigern können. Aber die Industrie hätte einen netten Nebenverdienst: nicht eingelöstes Pfand. Das ergibt eine Studie der Wertstoffrecycler

von MATTHIAS SPITTMANN

Zwangspfand auf Dosen und Einwegflaschen könnte die Mehrwegquote steigern – falls es deutlich höher als die vom grünen Bundesumweltminister Jürgen Trittin anvisierten 30 Pfennig liegt. Das hat die Vereinigung für Wertstoffrecycling (VfW) herausbekommen, indem sie testweise fünfzehn Monate lang Einweg-PET-Flaschen mit Pfand verkauft hat. Bei hohem Zwangspfand würden die Kunden nämlich Mehrwegflaschen vorziehen.

Dass die üblichen Verdächtigen wie der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) oder die rheinland-pfälzische Umweltministerin Klaudia Martini (SPD) gegen das Zwangspfand kämpfen würden, war zu erwarten gewesen. Doch auch von Seiten der Mehrwegförderer kommt Kritik: „In dem Moment, wo die Infrastruktur für die Rücknahme von Dosen da ist, sinkt dramatisch die Chance, Mehrwegsysteme zu behalten“, sagt Niedersachsens Umweltminister Wolfgang Jüttner (SPD). Er sieht sich dabei in der Gesellschaft mehrerer Länderkollegen, der Umweltverbände und der Brauereien. Sie alle setzen auf eine Verpackungsabgabe auf Dosen und Einweg-PET-Flaschen, die die Hersteller direkt an den Staat abführen müssten. „Ein Zwangspfand verhindert vielleicht, dass Dosen im Wald rumfliegen“, sagt Walter Jungbauer vom BUND, „die Produktion bleibt aber eine Ressourcenverschwendung.“

Doch die Studie des VfW, übrigens eine Konkurrentin des Grünen Punkts, stützt die Anhänger eines Zwangspfands. Danach reicht ein Pfand von 15 bis 30 Pfennig aus, um 70 bis 90 Prozent der Flaschen zurückzubekommen. Trittin könnte mit seinen Pfandvorstellungen also für eine hohe Rücklaufquote sorgen. Und bei einem Pfand von 50 Pfennig würden über die Hälfte der befragten Kunden Plastikflaschen im Laden stehen lassen. Doch ein Pfand von 15 bis 30 Pfennig, wie Trittin es erwägt, hätte fast keine Auswirkungen auf das Kaufverhalten.

Gudrun Pinn, Vorsitzende des Landesvereins der UmweltberaterInnen in Berlin und Brandenburg, hält deshalb ein Zwangspfand für eine geeignete Maßnahme, wenn es auf 50 Pfennig pro Gefäß festgesetzt wird, wie es die Verpackungsverordnung vorsieht. „Vor einer Senkung des Pfands kann ich nur warnen.“

Gewinner eines niedrigen Pfands wären ausgerechnet die Hersteller der umweltschädlichen Verpackungen. Sie verkaufen so viel wie zuvor, bekommen aber bei weitem nicht alle Flaschen zurück. Im Testlauf wurden 75 Prozent der 15-Pfennig-Flaschen und 90 Prozent der 30-Pfennig-Flaschen zurückgegeben. Mit anderen Worten: Ein Viertel beziehungsweise ein Zehntel des Pfands bleibt beim Hersteller als Extraprofit. Alleine an Dosen gehen jährlich 6,5 Milliarden Stück über den Ladentisch. Bei einem Pfand von jeweils 15 Pfennig bleiben so 240 Millionen Mark über den Dosenverkauf bei den Herstellern – bei 30 Pfennig knapp 200 Millionen Mark Mark.

Falls sofort alle Pfandrücknahmen in Deutschland über Automaten erledigt würden, kostete das nach Berechnungen des Automatenherstellers Tomra 900 Millionen Mark. Da Automaten langlebig sind, würde das nicht eingelöste Zwangspfand diese Investition schnell finanzieren. Es wäre also nur korrekt, wenn die Hersteller die Automaten bezahlten. Das sehen die allerdings nicht so – zum großen Frust des Handels.

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