Turban auf der Glatze des Friseurs

■ Spielzeit-Auftakt im Ernst-Deutsch-Theater mit Unter der Treppe: Ist eine Schwulen-Ehe eine Beziehungskiste wie jede andere auch?

Als die Royal Shakespeare Company das Stück im November 1966 in London das erste Mal aufführte, empfand das Publikum die Darstellung einer Liebesbeziehung zwischen Männern als skandalös. Inzwischen hat sich der Bedeutungsgehalt des Begriffs „Skandal“ dermaßen geändert, dass auch das Ernst-Deutsch-Theater die Schwulen-Komödie Unter der Treppe in das neue Schauspielprogramm aufgenommen hat – als gemeinsame Entscheidung von Schauspielern, Regie und Theaterleitung. Schließlich geht es um eine Beziehungs-kiste, von daher hat es seine Berechtigung, das Stück neben Shakespeares Romeo und Julia oder Coburnes Gin Rommé auf den Spielplan zu setzen.

Der Autor Charles Dyer hat seine Geschichte in einem Friseursalon angesiedelt. Die beiden Friseure Harry und Charles, gespielt von Uwe Friedrichsen und Michael Derda, sind schon viele Jahre zusammen. Als Arbeitsloser hat Charles Unterschlupf bei Harry gefunden, und seither hält letzterer ihn aus. Obwohl, oder vielleicht gerade weil Charles sich Harry gegenüber in der Schuld fühlt, lässt er seine Aggressionen an ihm aus und erniedrigt ihn.

Harry kommt zudem mit seiner Glatze nicht zurecht und leidet insgesamt unter dem zunehmenden Verfall seines Körpers. Charles wiederum prahlt von seiner Schauspielkarriere, obwohl es für ihn tatsächlich nur zu Nebenrollen reichte. Beide Männer haben das Gefühl, wie „Kakerlaken unter der Treppe“ zu hausen, und wollen sich voneinander trennen. Als Charles aber bei einem eigentlich bloß vorgetäuschten Selbstmord eine ganz reale Herzattacke erleidet, erkennt er, wie sehr er seinen Freund in Wirklichkeit braucht.

Dem Briten Charles Dyer, der in seinem früheren Leben als Flugnavigator bei der Royal Air Force tätig war, gelang mit Unter der Treppe der Durchbruch als Dramatiker. Die Story wurde 1969 auch verfilmt, mit Richard Burton in der Hauptrolle – wobei sich Regisseur Stanley Donen in seinem Kammerspielfilm nicht mit der Homosexualität auseinandersetzte, sondern eine Abrechnung mit Lebenslügen und Eitelkeiten betrieb.

Das Ernst-Deutsch-Theater verspricht mit Unter der Treppe dem Publikum zumindest eine anrührende und komische Geschichte. Die Komödie unter der Regie von Helmut Polixa und ausgestattet von Matthias Moebius eröffnet die neue Spielzeit an der Bühne gegenüber der Mundsburg. Laut Pressesprecher Remmer Koch hat die Platzierung jedoch nichts mit dem derzeitigen Wirbel um den Gesetzentwurf zur Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften zu tun: „Das hat ganz praktische Gründe. Schließlich ist Uwe Friedrichsen ein bekannter Schauspieler“. Sven Tietgen

Do - Sa und Mo - Mi, 19.30 Uhr; So, 15 + 19 Uhr, läuft noch bis 30.9., Ernst Deutsch Theater, Ulmenau 25