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Letzte Hoffnung Westdeutschland

Immer mehr junge Berliner arbeiten in den alten Bundesländern. Auch die Zahl der Hauptstädter mit Arbeitsplatz in Brandenburg wächst. Im Speckgürtel gibt es weniger Arbeitslose als in Berlin. Das ist das Ergebnis des neuen Pendlerberichts

von UWE RADA

Für viele junge Menschen aus Berlin und Brandenburg ist Westdeutschland die letzte Hoffnung. Neben den Fortzügen in Richtung alte Bundesrepublik steigt auch die Zahl derer, die in Berlin und Brandenburg wohnen und ihren Arbeitsplatz in Niedersachsen oder Bayern haben. Das ist das Ergebnis des Pendlerberichts für das Jahr 1999, den das Landesarbeitsamt gestern vorgelegt hat.

Demnach pendelten 1999 67.340 Personen aus dem Einzugsbereich des Landesarbeitsamtes nach Westdeutschland, 16,4 Prozent mehr als im Jahr zuvor. An dieser Entwicklung, so das Arbeitsamt, „hatten Berlin und der Arbeitsamtsbezirk Cottbus die größten Anteile“. Ursache sei vor allem die günstige Entwicklung des Arbeitsmarktes in der alten Bundesrepublik, die die Mobilitätsbereitschaft vor allem bei jungen Menschen fördert, die nach der Ausbildung keine Anstellung fänden. Diese Pendelgruppe hatte mit 16,4 Prozent auch den höchsten Zuwachs.

Aber auch zwischen Berlin und dem Umland gibt es mehr Pendler. Mittlerweile arbeiten bereits 123.100 Brandenburger in der Hauptstadt, in Brandenburg gehen 53.100 Berliner ihrer Beschäftigung nach. Das Arbeitsamt wertete dies als Beleg für eine „immer stärkere Verflechtung des Arbeitsmärktes“ von Berlin und Brandenburg.

Damit erschöpfen sich allerdings die Gemeinsamkeiten zwischen Berlin und seinem Umland. Den Anstieg der Brandenburger, die in Berlin arbeiten (3,4 Prozent), erklärt das Arbeitsamt nämlich mit der „anhaltenden Abwanderung der Berliner ins Umland“. Immerhin kommen 86 Prozent der Berliner Einpendler aus den Umlandkreisen, vor allem aus Oranienburg, Potsdam, Bernau und Strausberg. Mit anderen Worten: Die Zunahme der in Berlin tätigen Brandenburger ist kein Hinweis auf ein Mehr an Jobs in der Hauptstadt.

Anders dagegen bei den Auspendlern. Die 53.100 Berliner, die nun in Brandenburg, vor allem in Potsdam und im Raum Zossen arbeiten (Anstieg 4,5 Prozent), profitieren auch vom Aufschwung im Speckgürteln. Vor allem im Verarbeitenden Gewerbe gibt es im Umland neue Jobs.

Der Pendlerbericht ist somit auch ein Spiegel der unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklung Berlins und des Umlandes. Während die Arbeitslosenquote in der Hauptstadt bei 15,6 Prozent und in Brandenburg bei 16.6 Prozent liegt, beträgt sie in den Umlandkreisen lediglich 12,7 Prozent.

Zugenommen hat aber auch die Zahl der Langstreckenpendler, die nun in Berlin arbeiten. Das hat nach Ansicht der Statistiker vor allem mit dem Regierungsumzug zu tun. Mittlerweile arbeiten in Berlin und Brandenburg fast 30.000 Menschen aus der alten Bundesrepublik.

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