Umweltpapier siegt

Ökobilanz des Umweltbundesamtes hat die Papierfrage gelöst: Recycling besser als Frischfaser. Wirtschaftsgruppe findet das auch, Kunden weniger

von THORSTEN DENKLER

Am Ende zückten alle ihre Visitenkarten und hielten sie der versammelten Presse in Berlin zum Beweis entgegen. Ja, sie sind aus Altpapier: Die vom Nabu-Geschäftsführer Gerd Billen ebenso wie die vom Umweltschutzbeauftragten der Karstadt AG, Klaus Wilmsen, und die vom Sprecher der kaum zwei Stunden zuvor gegründeten Wirtschaftsinitiative „Pro Recyclingpapier“, Franz Winterer. Der Präsident des Umweltbundesamtes, Andreas Troge, hatte kurz zuvor bemerkt, wer in seinem Unternehmen Umweltschutz praktiziere, ihm aber eine Visitenkarte aus blendend weißem Frischfaserpapier entgegenhalte, bei dem sei der Umweltschutzgedanke noch nicht angekommen.

Das wollen sich die zwölf an der neuen Initiative beteiligten Unternehmen nicht vorhalten lassen. Im Gegenteil: Den Verbrauch von Papier insgesamt senken, den Recyclinganteil erhöhen – das sind ihre Ziele. Das will die Initiative, der sich auch Sony, Neckermann und der Otto-Versand angeschlossen haben, vor allem durch Aufklärung und Lobbyarbeit erreichen.

Der Anteil recycelter Papiere am Markt hat in den vergangegen Jahren deutlich abgenommen. Ein Entwicklung, die laut Umweltbundesamts-Chef Andreas Troge auf eine „Verweichung des Umweltbewusstseins“ zurückführbar ist. Denn Nachteile habe Recyclingpapier nicht. Troge stellte gestern die Ökobilanzstudie seines Hauses für grafische Papiere vor, also für all jene Papiere, die bedruckt oder beschrieben werden. In allen Bereichen schneidet Recyclingpapier besser ab als Papier aus Frischfasern. Simone Probst (Grüne), Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, begrüßte die Studie: „Es ist gut, zu sehen, wenn das, wofür man sich jahrelang politisch eingesetzt hat, wissenschaftlich untermauert wird.“

Recycling-Papier ist demnach nicht nur ökologisch sinnvoller als die Verbrennung von Altpapier zur Energiegewinnung. Auch in der Anwendung steht es konventionellem Papier in nichts nach. Ob im Kopierer oder im Druck: Recyclingpapier macht alles mit. Im Archiv zersetzt es sich keineswegs schneller als Neupapier. Und billiger als Frischfaserpapier ist es in der Regel auch. Nur so weiß wie konventionelles Papier wird die Ware aus Altpapier nicht.

Trotzdem: Jahr für Jahr geht der Verkauf von Recyclingpapier zurück. Der Karstadt-Umweltbeauftragte Wilmsen räumte ein, auch seine Firma habe deshalb zu Beginn des Jahres überlegt, sämtliche Produkte aus Recyclingpapier aus dem Sortiment zu nehmen. Um 50 Prozent sei der Umsatz im Marktsegment zurückgegangen. „Wir sind stattdessen in die Offensive gegangen“, sagte Wilmsen. Mit einer groß angelegten Werbekampagne habe Karstadt den Umsatz um zehn Prozent steigern können. Sein Credo: „Es muss schick sein, auf Recyclingpapier zu schreiben und nicht auf Büttenpapier.“

Der Papierverbrauch insgesamt ist stark gestiegen. Im vergangenen Jahr sind in Deutschland 8,7 Millionen Tonnen verbraucht worden, 1990 waren es nur 7,4 Millionen. „Das papierfreie Büro ist eine Illusion“, sagt Initiativ-Sprecher Winterer. Die elektronische Datenverarbeitung hat den Papierverbrauch entscheidend erhöht.

Aus etwa 80 Prozent des in Deutschland produzierten und verkauften Papiers wird derzeit Altpapier hergestellt – Tendenz fallend. Noch sieht die Regierung keinen Grund, die Notbremse zu ziehen. Die Wirtschaft soll zeigen, dass sie den Status quo alleine halten kann. Die Initiative „Pro Recycling“ ist da wohl ein erster Versuch. Helfen solche Aktionen nicht, „dann haben wir noch die Möglichkeit, Verordnungen zu erlassen“, warnte Simone Probst.