Roter Schrott gegen rechts

Die Info-Box am Potsdamer Platz wird Ende des Jahres verschrottet. Fassadenteile sollen für das Aktionsbündnis gegen Rechts versteigert werden. Schwimmerin Franzi durfte als Erste abschrauben

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Weil Franziska van Almsick schon mal raucht oder modelt, schwimmt die einst so erfolgreiche Weltmeisterin derzeit ein wenig hinterher. Immerhin, „die Franzi“ ist in Sydney bei den Olympischen Spielen dabei. Und damit sie vielleicht nicht ganz ohne dasteht, hat sie das Metall mit der Nummer eins schon mal vorneweg erhalten: nicht in Gold oder Bronze, sondern in Aluminium, aber dafür in der Größe 2,5 mal 0,64 Meter.

Die große Aluminiumplatte (Kennnummer „001“), die Franzi gestern von Berlins Bausenator Peter Strieder (SPD) erhielt, ist das erste demontierte Fassadenelement der Berliner Info-Box vom Potsdamer Platz. Der rote Ausstellungscontainer, der in den vergangenen fünf Jahren zu einem Wahrzeichen für den Umbau der Hauptstadt avancierte, wird zum Ende des Jahres geschlossen.

Damit der Abriss nicht sang- und klanglos über die Bühne geht, hat Strieder den Anfang vom Ende der Box einem guten Zweck gewidmet: Die Franzi soll das rote Blechstück hoch motiviert mit nach Sydney nehmen und „sich bemühen, von vielen anderen Sportlern signieren zu lassen“. Bei der „Farewell-Abschiedparty“ der Info-Box am 30. Dezember 2000 werde das Fassadenstück samt 300 anderen zu Gunsten des Aktionsbündnisses gegen Rechts versteigert.

Das „Symbol einer weltoffenen Stadt“, zu der Bausenator Strieder die Info-Box gestern stilisierte, hatte es lange Zeit schwer, dazu zu werden. Als der Container auf Stelzen im Sommer 1995 als Ausguck und Pavillon der Investorenpläne über den Baugruben errichtet wurde, überwog die Skepsis. Anstelle der 62 Meter langen roten Kiste, die wie ein fliegender Backstein erschien, hätten die Gesellschafter wie Sony/Tischman Speyer, Daimler Benz, Deutsche Bahn AG, A + T oder der Senat sich lieber mit eigenes inszenierten Präsentationen vorgestellt.

Die kritischen Berliner, denen das Mega-Projekt am Potsdamer Platz sowieso suspekt erschien, belächelten die Idee der Sammelbox des Architekten Michael Schumacher sowie des Ausstellungsmachers Dirk Nishen. Die Selbstdarstellung der Konzerne, ihrer Planungen und Modelle, die virtuellen Prospekte und Architektenporträts erschienen wie eine berlinzentrierte Corporate Identity „an der größten Baustelle Europas“, so der damalige Bausenator Wolfgang Nagel (SPD). Von weltgewandter Lässigkeit kaum eine Spur. Wer wollte sich das antun?

Doch die Besucher strömten. Rund 300 bis 400 Baustellentouristen pro Tag zählt der rote Kasten seit 1995. Statt der erwarteten 2 Millionen sind bis dato über 8 Millionen Menschen die Box hinaufgestiegen, um ihre Sucht und Vision nach dem „neuen Berlin“ zu befriedigen und einen Blick über die wachsenden Hochhäuser von Sony und Debis bis zur Reichstagskuppel zu werfen.

Das Konzept, die „Baustelle zur Schaustelle“ werden zu lassen, wie es der damalige Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer formulierte, und den Wiederaufbau an der einstigen Nahtstelle zwischen Ost und West als ästhetische Dimension zu inszenieren, erwies sich als gelungener Coup. Die Info-Box sei zu einem „Phänomen“ geworden, schrieb die Bauzeitung Profil. Die Box vermittle den Berlinern und ihren Gästen eine transparente und offene Stadtentwicklung.

Doch nicht nur als Station auf der Sight-Seeing-Tour diente der Container. In der Info-Box wurden Ausstellungs-Events, Tagungen und Pressekonferenzen abgehalten, Farbbeutel flogen gegen die roten Blechteile. Am 9. Oktober 1999 wurde sie Tatort eines Suizids: Eine Frau war die Treppen zur Aussichtsplattform hinaufgestiegen, hatte sich gegen das Geländer gelehnt und sich kopfüber in die Tiefe gestürzt, berichteten Augenzeugen. Der Fall aus 23 Metern Höhe war tödlich.

Mit der Fertigstellung des Potsdamer Platzes ist das Ende der Info-Box vorprogrammiert: Der temporäre Bau, dessen Lebensdauer bis Ende 2000 terminiert war, „trifft zwar immer noch den Nerv der Besucher“, wie Geschäftsführerin Ariane Ribbeck erklärt. Aber alle Versuche, den Standort zu erhalten, seien fehlgeschlagen. Weder hätten sich die Investoren bereit erklärt, den Fortbestand am Potsdamer Platz zu sichern, noch habe es „ernsthafte Angebote“ gegeben, die Box zu versetzen. „Ideen für den Erhalt oder neue Nutzungen dagegen gab es genug“, sagt Ribbeck: als Info-Box für die Baustellen am Lehrter Zentralbahnhof, Schlossplatz oder am Großflughafen Schönefeld.

Ein letzter Versuch, die Box zu retten und als Pavillon am Alexanderplatz zu installieren, ist ebenfalls fehlgeschlagen. Der 10 Millionen Mark teure Ab- und Wiederaufbau sowie die Renovierung des korrosionsbeschädigten Containers wolle niemand tragen, seufzt Ribbeck. „Also wird sie abmontiert und verschrottet“ – und geht in die Geschichte ein als Box gegen rechts.