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Liebe und andere Lügen

(20.45 Uhr, arte)

„Nichts in der Liebe ist wichtiger als Vertrauen und Ehrlichkeit.“ Das hackt die Journalistin Claire gedankenvoll und ahnungslos in ihren PC. Nächtelang mailt sie dem jungen Russen Michail, der nach der Wende Deutschland verlassen musste und kurz vor seiner Rückkehr die große Liebe getroffen hatte. Und sich immer noch nach ihr verzehrt. Schreibt er. Glaubt sie. Nun soll Claire, die mit dem smarten Anwalt David verbandelt ist und diesen in wenigen Wochen zu heiraten gedenkt, eine schöne Geschichte für die Wochenendbeilage schreiben. Schließlich ist bald Weihnachten, da ist Herzerwärmendes nie ganz falsch. Claires Chefredakteurin ist begeistert, und ganz Freiburg leidet mit dem armen, liebeskranken Russen. Der nur leider keiner ist, Paul statt Michail heißt und als arbeitsloser Schauspieler sein Dasein fristet. Nach der Veröffentlichung des Artikels will Paul die Frau treffen, die seine ausgedachte Geschichte öffentlichkeitswirksam ausgeschlachtet hat und arrangiert ein Tête-à-Tête in einem Bahnhofscafé. Ausstaffiert mit dicker Wollmütze spielt er den unglücklichen Michail, und Claire erliegt sofort seinem Charme. Natürlich fliegt der Schwindel auf, aber zu dem Zeitpunkt hat die ganze ausgedachte Story schon ordentlich Eigendynamik entwickelt. Und Claires anfangs leicht dahin gesagte Weisheit von der Liebe, die auf Vertrauen und Ehrlichkeit basiert, muss sich plötzlich an der Wirklichkeit messen lassen. Der Film „Liebe und andere Lügen“ ist so lieblich wie die Stadt, in der er spielt. Doch das gut komponierte Drehbuch und die konzentrierte Regie sorgen dafür, dass man der charmanten Geschichte interessiert folgt. Außerdem wartet die SWR-Produktion mit jungen Schauspielern (Caroline Scholze als Claire, Thorsten Grasshoff als Paul) auf, die man gerne bald wiedersehen würde. Nur Heikko Deutschmann als David spielt wie immer den glatten, etwas langweiligen Yuppie. Vielleicht sollte er in einem seiner nächsten Filme einmal etwas anderes probieren. Wie wäre es zum Beispiel als bisexueller Obdachloser? THORSTEN PILZ