: „Kunst ist ein Werkzeug“
■ Ein Gespräch mit dem Düsseldorfer Künstler Thomas Stricker über das Projekt „aussendienst“ in die Wirkung der Kunst im öffentlichen Raum
Thomas Stricker erstellte im Rahmen des Kunstprojekts aussendienst die Skulptur eines Meteoriten im Alsterpark. Er arbeitete dafür zwei Monate lang in einer öffentlichen Werkstatt unter Beteiligung von Passanten.
taz hamburg: Warum war der öffentliche Zugang zur Werkstatt so wichtig?
Thomas Stricker: Bei der Meteoritenwerkstatt ist die Arbeit an der Skulptur in die Öffentlichkeit gelegt worden. Es wird nicht nur eine Skulptur in den öffentlichen Raum gestellt, sondern das Atelier wurde mobil gemacht. Das ist ein wesentlicher Teil dieser Arbeit, zugleich ihr Sockel und eigentlich schon der Kern dieser Arbeit.
Das bedeutet Arbeit im „öffentlichen Raum“. Was ist „öffentlich“?
Das ist im Fall der Kunst schwer zu sagen, weil ich Kunst grundsätzlich öffentlich finde. Kunst kann nicht wirklich besessen werden. Kunst ist zum Anschauen für jeden. So macht es für mich keinen großen Unterschied, ob ich eine Arbeit fürs Museum oder für den öffentlichen Raum mache.
Die Kuratoren von aussendienst beschreiben in ihrem Konzept die großstädtische Gesellschaft als ein Miteinander von rivalisierenden Gruppen. Treffen hier an der Alster überhaupt „rivalisierende Öffentlichkeiten“ aufeinander?
Grundsätzlich finde ich solche Formulierungen zu pathetisch. Da kommt der Künstler fast als Friedensstifter oder als Seelsorger daher. So gehe ich in meiner Arbeit nicht vor. Dafür spielt die Kunst eine zu geringe Rolle in der Gesellschaft, als das man das so formulieren könnte.
Wie weit warst du involviert in die Planung der Kuratoren, ihren Begriff des Öffentlichen darzustellen, auch mit deinem Projekt?
Es war ein relativ schmaler Korridor, den man da zusammen gegangen ist. Ich habe nicht versucht, eine Theorie, die die Kuratoren im Laufe der Zusammenarbeit erst aufgestellt haben, zu illustrieren. Ich habe meine Arbeit als ein freies, künstlerisches Thema behandelt, wie eine Skulptur im Jahre 2000 im öffentlichen Raum aussehen kann.
Wenn man die gegenwärtigen Arbeiten polarisieren würde zwischen klassischer Skulptur auf einem Sockel und partizipatorischen Projekten – wie würdest du dich positionieren?
Ich stelle mich genau in die Mitte. Ich mache zwar keine politische, Stadtteil-, Kontext- oder Kommunikationsarbeit, dennoch arbeite ich extrem mit der Bevölkerung – ich habe eine Geschichte vorgegeben, über die man diskutiert hat und stand zwei Monate für alle zur Verfügung. Ich habe keine Lust über die Probleme der Leute zu sprechen: das überlasse ich den Seelsorgern der Stadt.
In aussendienst gibt es fast keine interventionistischen Projekte. Ist das gerechtfertigt in der gegenwärtigen Debatte um Kunst im öffentlichen Raum oder muss Kunst stärker politisiert sein?
Das ist schwierig. Ich empfinde das Visuelle nach wie vor als wichtig und denke, dass man das Schauen wieder lernen kann. Das reine Diskutieren und Denken ist es nicht, was es mir bringt. Ich finde es wichtig, dass sich das Auge irgendwo festhalten kann.
Eine stärkere Politisierung strebst du in deiner Arbeit also nicht an?
Politisierung eigentlich gar nicht. Was mir wichtig ist, ist eine Inhaltlichkeit. Ich finde nicht, dass Kunst ein Werkzeug ist, politisch weiterzuarbeiten. Es kann ein Teil sein, sich mit politischen Themen zu befassen, aber eine stärkere Politisierung sehe ich so nicht.
Aber drängt sich nicht die Frage auf, ob es überhaupt noch eine Öffentlichkeit gibt, die sich für Kunst im öffentlichen Raum interessiert?
Eben, das weiß ich dann auch nicht sehr genau. Für meinen Ort habe ich schon das Gefühl, dass sich eine Öffentlichkeit eingestellt hat. Aussendienst ist aber nicht so eventmässig geplant, wie es sich im Sponsorenpapier vielleicht anhört. Das kann man negativ sehen. Aber man kann auch sagen, dass in Hamburg fast ein Jahr lang an verschiedenen Orten immer wieder was geschieht ohne großen Rummel, bei dem man irgendwann gar nichts mehr sieht.
Interview: Hajo Schiff
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