vorlauf: Gutmenschelnde Kosmopoliten
Ich Chef, Du Turnschuh
0.25 Uhr, ZDF
Angeblich haben die gestrengen Grimme-Preis-Juroren in dem Film „Rassismus gegen Deutsche“ ausgemacht, so schrieb die Berliner Zeitung damals. Die Deutschen kämen nämlich „nur als Karikaturen“ vor. Trotzdem konnte „Ich Chef. Du Turnschuh“ bei der 38. Grimme-Preis-Verleihung gleich dreimal absahnen: der Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller Hussi Kutlucan bekam für seine Dreifachbelastung je eine Trophäe. So ist das nämlich bei Grotesken: Jeder ist „beyond“ in Kutlucans ungewöhnlichem Film, einen Zacken zu laut, zu grell und grob auf die vermeintlich typischen Ecken reduziert. Der Streifen bezieht genau daraus seine Stärke.
Er ist weit weg von einem Problemfilm über einen traurigen Ausländer im fremdenfeindlichen Deutschland. Protagonist Dudie hat zwar bis auf ein Kind und seine Mitstreiter nur Feinde um sich herum, sein Vorarbeiter auf der Bundesbaustelle ist ein Arschloch und bezahlt schlecht bis gar nicht, die Frauen wollen ihn ausnutzen, und seine türkische Freundin verlässt ihn, um wegen der Aufenthaltsgenehmigung einen fiesen, spackigen Deutschen zu heiraten. Aber Dudie gibt nicht auf: Er ist der energiegeladene, positive Pol in der Story, der immer wieder an das Gute zu glauben scheint und nie den Mut verliert. Diese Stereotype und ihre groteske Darstellung machen aber auch die Schwächen des Films aus. Das Herumgeschreie der überzeichneten Deutschen ist auf Dauer rein akustisch kaum auszuhalten, und Dudies ewiges „Ach komm, das wird schon alles gut“ kippelt manchmal etwas in die schwere Süße einer wohlwollenden Gutmenschen-Darstellung.
Der Film wird hin und wieder zu sehr Sozialkundelehrerfilm. Dann muss man sich schnell darauf besinnen, dass Multitalent Kutlucan vor ewigen Zeiten mit den jetzigen „Ärzten“ in einer Punkband gespielt hat, und den nötigen Anarchismusfaktor einfach selbst dazumischen. JZ
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