DIE LÖSEGELDZAHLUNGEN AN DIE ENTFÜHRER AUF JOLO WAREN LEGITIM: Hauptsache, die Geiseln sind frei
Das Spektakel ist teuer, und der wichtigste Profiteur steht bereits fest. Neben den Abu Sayyaf wird aus dem Geisel-Deal auf Jolo vor allem einer als Gewinner hervorgehen: Libyens Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi. Während die Rebellen nun neue Millionenbeträge in Waffen umsetzen können, erkauft sich der einst geächtete Oberst die heiß ersehnte internationale Reputation. Die investierten Summen sind angesichts der sich nun auftuenden Ölmärkte für Libyen Peanuts.
Darf man, soll man, kann man als westliche Regierung auf einen solchen Handel eingehen? Die Antwort lautet: Ja.
Denn was zählt, sind die Leben unschuldiger, ja ahnungsloser Urlauber. Wer sich bewusst in Krisengebiete begibt, muss damit rechnen, Schaden zu erleiden. Es ist deshalb folgerichtig, dass der Spiegel-Redakteur Andreas Lorenz nicht von der Bundesregierung oder irgendeiner internationalen Institution freigekauft wurde, sondern von seinem Hamburger Arbeitgeber. Wer aber in ein bisher friedliches Tauchreservat reist, kann gar nicht damit rechnen, entführt zu werden. Entsprechende Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes für diese Region existieren schließlich nicht.
Wenn es dennoch schief geht, gilt: Zur Befreiung der Geiseln ist jedes Mittel recht – auch Geld. Es gilt die Fürsorgepflicht der Bundesregierung für ihre Bürger im Ausland. Einen Sieg des Terrorismus bedeutetet das noch lange nicht, allenfalls die Gleichung: sechs gerettete Menschenleben auf der einen gegen einen Haufen neuer Maschinengewehre auf der anderen Seite. Was ist wichtiger?
Urlauber werden die malaysischen Inseln im Grenzgebiet zu den südlichen Philippinen künftig meiden. Dass dort demnächst erneut unwissende Touristen verschleppt werden, ist unwahrscheinlich. Wer trotzdem dorthin reist, ist selbst schuld. Familie Wallert und Co. hatten von der Gefahr, in die sie sich begaben, keine Ahnung. Wer jetzt zum Urlaub in der deutschen Heimat aufruft und Fernreisen per se verteufelt, vergisst: Auch im Harz kann man vom Bus überfahren oder in Meck-Pomm mit einem Baseballschläger niedergeknüppelt werden. Reisen bildet – überall.
Gaddafi mag nun seine Show abziehen. Wichtiger als das Geiselspektakel in Tripolis ist für die Zukunft seines Landes das Ergebnis des Lockerbie-Prozesses in den Niederlanden. Haben libysche Geheimdienstler den Absturz eines US-amerikanischen Jumbos über Schottland zu verantworten oder nicht? Die Antwort entscheidet wirklich über weitere Isolation oder Reintegration Libyens in die Weltgemeinschaft. Doch vorerst gilt: Hauptsache, sechs Geiseln sind frei und die verbliebenen hoffentlich auch bald. THOMAS DREGER
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