„Plutonium abzweigen“

Greenpeace-Atomexperte Tobias Münchmeyer fordert, russisches Plutonium direkt endzulagern. Die Verarbeitung zu MOX-Brennstäben senke das Risiko der Atomwaffen-Produktion nicht

taz: Die 34 Tonnen Waffenplutonium, die aus der russischen Abrüstung freiwerden, müssen weg. Warum ist Greenpeace dagegen, das Plutonium zu MOX-Brennstäben zu verarbeiten?

Tobias Münchmeyer: Die Verarbeitung zu MOX-Brennstäben würde das Risiko der Verwendung von Plutonium für Atomwaffen nicht senken. Das bestünde weiter, weil bei der Produktion der Brennstäbe sehr leicht ein paar Kilo Plutonium abgezweigt werden können. Für den Bau einer Atombombe braucht man nur vier Kilogramm. Dann könnten auch bei den Transporten der frischen MOX-Elemente durch Russland zu den AKWs Brennstäbe abgezweigt werden, um das Plutonium wieder herauszulösen. Die Brennstäbe gelten deswegen offiziell als waffenfähiges Material. Ein weiterer Grund ist, dass sich bei der Produktion der MOX-Elemente auch Atommüll ergibt, und die Reaktoren sind laut dem amerikanischen Nuclear Control Institute unfallträchtig. Wir wollen nicht den langen und gefährlichen Umweg über MOX, sondern die direkte Endlagerung vor Ort.

Die USA wollen 8,5 Tonnen ihres Waffenplutoniums immobilisieren, aber auch 25,5 Tonnen vermoxen. Das hört sich nach „Böse Russen, harmlose Amerikaner“ an.

Nein, es gibt auch in den USA Proteste gegen die Vermoxung, aber das russische Plutonium steht hier natürlich unter stärkerer Beachtung, weil Deutschland mit einem Export dabei wäre, aktiv die russische Atomstrategie zu unterstützen.

Wird die Hanau-Anlage nicht exportiert, könnte Russland auf die Idee kommen, selber eine MOX-Anlage zu bauen.

Nein, die Russen könnten keine eigene Anlage bauen. Wahrscheinlich wäre, dass der Westen – und da wahrscheinlich die französische Atomfirma Cogema, die ja auch die amerikanische Anlage baut – zu einem höheren Preis eine neue MOX-Fabrik bauen würde. Diese Alternative ist natürlich nicht sinnvoll, es geht darum, vollständig aus der MOX-Lösung auszusteigen.

Endlagern durch Verglasung versus MOX: Es geht darum, die 34 Tonnen möglichst schnell aus dem Verkehr zu ziehen. Wäre da die MOX-Anlage nicht schneller?

Nein, ich gehe davon aus, dass eine Verglasungsanlage, wenn sie nun beschlossen würde, zum selben Zeitpunkt – also so gegen 2006 – fertig würde. Außerdem heißt eine Verarbeitung zu MOX-Elementen, dass maximal zwei Tonnen Plutonium pro Jahr verarbeitet würden – bei 34 Tonnen dauert das dann noch mindestens 17 Jahre. Demnach wäre die Verglasung der schnellere Weg.

Siemens macht Druck – rechnen Sie mit einem schnellen Entschluss?

Ich gehe nicht davon aus, dass es angesichts der noch offenen Fragen so schnell einen Beschluss gibt. Bis jetzt ist zum Beispiel noch unklar, wer bei einem Unfall in der exportierten Anlage haften würde. Russland verweigert die Haftung, da es westliche Technik ist. Der Westen sagt, wenn die Anlage in Russland betrieben wird, sind Unfälle auch deren Problem. Daher ist das Ultimatum, das Siemens gesetzt hat, bedenklich.

INTERVIEW: MAIKE RADEMAKER