die stimme der kritik
: Betr.: Action-Journalismus

Katastrophen, Roboter und Paten

Die Zeiten für den Action-Journalismus sind gut. Jolo, U-Boot-Fahren und Bundeskanzler Schröder zu Besuch in der Ex-DDR, hier zwei Flächenbrände in den USA, dort ein Flugzeug- oder Busunglück (bei dem auch nicht mehr umkamen, als sich jedes Wochenende in Brandenburg tot fahren). Kaum ein Tag vergeht ohne ARD-Brennpunkte, ZDF-Specials und so weiter. Die West-Medien feiern den brennenden Fernsehturm im ehemaligen Zentrum des Bösen; die Moskauer schauen dumm aus der Wäsche, denn der Fernsehturm, der ihnen zeigen könnte, wie der Fernsehturm brennt, ist ja nun leider grade abgebrannt.

Es ist davon auszugehen, dass oft mehr Geld mit den Bildern der außergewöhnlichen Ereignisse umgesetzt wird, als die Katastrophen selber gekostet haben. Mit Blick auf westliche Mediengewohnheiten werden sie mit dramaturgischen Finessen (Suspense! Falsche Fährten! Werbepausen! und so weiter) und einem Sinn für billigen Trash gestaltet: hier der brave Studiendirektor mit dem eingängigen Namen; da der finster geheimnisvolle Anführer der Geiselgangster Ghalib Andang alias „Kommandeur Roboter“ und als Retter: „der Pate“.

„Der Pate ist über Nacht aus dem Nichts aufgetaucht – mit einer sauber ausgedruckten Pressemitteilung über die bevorstehende Freilassung von westlichen Geiseln“, steht in der multimedial stets gut informierten Süddeutschen Zeitung. „Der Pate“ sei ein Mitglied der MNLF-Jugend, erläutert die Zeitung weiterhin. Der ewig junge Gaddafi war endlich auch wieder dabei und hatte sich sein Mitwirken einiges kosten lassen.

Ein Kollege sagte: „Terrorismus muss sich wieder lohnen!“ Lohnt sich Terrorismus? Oder anders gefragt: Gibt es nicht viele Fälle von Terrorismus, die wir als solche gar nicht mehr wahrnehmen? Wer wurde zum Beispiel entführt und was floss so an als Entwicklungshilfe getarnten Erpressungsgeldern, damit das ZDF am Montagabend zur ansonsten sonstigen Katastrophen vorbehaltenen Primetime ein Fußballspiel zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und Kickers Offenbach ausstrahlte?

Das „spannende Spiel“ (haha!) zwischen dem Erst- und Drittligisten endete wie erwartet – und rechtfertigte kein Gebührenlösegeld. Als Fußballfan denkt man bei Werner Wallert natürlich an Wolfram Wuttke, der zeitweise beim 1. FCK spielte. Und nun: das Wetter. DETLEF KUHLBRODT