Einfach mal das Kino retten

Die Hamburger Filmförderung wird 20 Jahre alt. Und sollte sich wieder auf ihre eigentlichen Aufgaben besinnen  ■ Von David Kleingers

Drei Tage lang feiert die Hamburger Filmförderung ihre Arbeit mit einem Programm, das sich auf den ersten Blick als reine Erfolgsgeschichte liest. Tatsächlich erinnern die meisten der präsentierten Kurz- und Langfilme, Kino-Essays, Dokumentationen und Experimente an die glücklicheren Entscheidungen der Institution. Und natürlich freuen sich alle zurecht, wenn Aprilkinder von Yüksel Yavuz oder Lubitsch Junior von Christian Bau noch einmal den Weg auf die Leinwand finden, denn schließlich waren sie dort nicht oft zu sehen.

Womit ein grundsätzliches Problem benannt wäre: Gute Filme schreiben häufig miese Zahlen. Daher muss das Jubiläum auch Anlass sein, über die Dauerkrise der inländischen Kinoproduktion und die Perspektiven staatlicher Förderung nachzudenken. Wenn öffentliche Subventionsquellen den deutschen Film als „Kulturwirtschaftsgut“ deklarieren, dann versuchen sie eine begriffliche Versöhnung merkantiler und kultureller Interessen. Die Frage bleibt jedoch immer, wieviel Wirtschaft gut für die Kultur ist.

Mit schöner Regelmäßigkeit zaubern Anhänger einer rein gewinnorientierten Filmlandschaft das Schreckgespenst vom 70er-Autorenkino aus dem Hut. Damals, so will es das neoliberale Ammenmärchen, haben kopfschwere RegisseurInnen die nationale Filmwirtschaft in den Ruin und das Publikum in die Arme des Fernsehens getrieben. Selbstverständlich sind sie auch für die muffigen Schachtelkinos jener Zeit verantwortlich, weil den armen Lichtspielketten ja gar nichts anderes übrigblieb, als ihr schwindendes Publikum in immer kleinere Projektions-Höhlen zu pferchen.

Wer dieser Milchmädchenrechnung Glauben schenkt, wird Oberhausen wahrscheinlich nur mit einem glücklosen Fußballverein assozieren. Jenseits aller Versäumnisse und Eitelkeiten ging es dem Großteil der FilmemacherInnen in den 60er und 70er Jahren vor allem um eins: die Schere aus dem Kopf, das Blei aus dem Arsch und das Gift aus den Herzen zu kriegen. Manche waren damit sogar kommerziell erfolgreich, aber das wird in der Agenda rapide wachsender Medienkonglomerate wohl kaum Beachtung finden. Angesichts des wirtschaftlichen und politischen Drängens auf unmittelbare Verwertbarkeit der Produktionen vollführen die Fördergremien der Bundesländer seit Jahren ideologische Drahtseilakte. Legitimiert etwa die vielzitierte Sicherung eines Produktionsstandorts das Subventionieren von Daily Soaps? Und dürfen die ach so konkurrenzfähigen Mainstream-Mogule neben ihren Millionen vom Neuen Markt noch ein bisschen Portogeld aus den Länderkassen abgreifen?

Bekanntlich sagen auch die ganz großen Kenner des Publikumsgeschmacks nicht nein, wenn sie für das fernsehkompatible Abfilmen der Spiegel-Bestsellerliste eine kleine Aufwandsentschädigung bekommen. Aber trotz dieser strukturellen Probleme hat die Filmförderung Hamburg in den vergangenen zwanzig Jahren einer beträchtlichen Anzahl wirklich lohnenswerter Projekte zur Realisation verholfen. Um jedoch die eigene Exis-tenz zu behaupten, muss sie auch weiterhin das Überleben eines anderen Kinos sichern.

Dazu gehört ebenso die Kooperation mit „kleinen“ Produktionsfirmen wie X-Filme Creative Pool, Wüste und Next, die mit ihren Talenten und Inhalten einer medialen Monokultur entgegenwirken, wie die gezielte Unterstützung unabhängiger Kinobetreiber und Verleiher. Auch ganz und gar unwirtschaftliche Experimente sowie die kommunale Archiv- und Forschungsarbeit brauchen eine weitsichtige Kulturpolitik, die sich eben nicht durch vermeintliche Wettbewerbsfähigkeit definiert. Sicherlich versprechen Namen wie Fatih Akin, Lars Becker und Sebastian Schipper – um einige der prominenteren Protagonisten der Jubiläums-Retro zu nennen – viel für die Zukunft. Doch nur wenn die regionale Filmarbeit nicht zum wirtschaftlichen Regionalismus verkommt, werden diese und all die anderen FilmemacherInnen überhaupt Gelegenheit haben, ihre Fähigkeiten auch in kommenden Jahren zu beweisen: Drei Tage feiern geht schon in Ordnung, aber ab Montag wird das Kino gerettet.

das komplette Programm der Feier gibts unter www.filmfoerderung-hanburg.de