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„Ey, du Knackarsch!“

■ 300 Mal hat sich Hans Neblung bereits die Strapse übergezogen und als Frank'N'Furter Kids und ewig Junge zum Reiswerfen animiert. Am Samstag feiert „The Rocky Horror Show“ im Waldau-Theater seine Bremen-Premiere

Er ist aus der Provinz aufgebrochen, um Bremen zu erobern. In Bremerhaven liegt ihm das Publikum zu Füßen, seitdem er auf der Bühne des Stadttheaters zum ersten Mal in Straps und Stöckelschuhen als Frank'N'Furter in sein transsylvanisches Lust&Horror-Schloss einlud und herzergreifend jenen Song intonierte, der zum Motto des Musicals wurde: Don't dream it – be it! Hans Neblung zieht an diesem Wochenende mit Richard O'Briens „Rocky Horror Show“ in Bremen ein. Im Waldau-Theater hat seine Crew aus 13 DarstellerInnen und fünf MusikerInnen die ideale Bühne gefunden.

„Eine tolle Geschichte, so etwas aus dem Nichts auf die Beine zu stellen“, sagt Hans Neblung. Er spielt in Bremen eine Doppelrolle. Gemeinsam mit Lars Hierath ist er der Produzent des Unternehmens, das bislang schätzungsweise 250.000 Mark gekostet hat und von mehreren Sponsoren kräftig unterstützt wird. Die beiden Jungunternehmer haben eine Firma gegründet, „Entertainment Concept GmbH“, die die Gagen an das Ensemble zahlt und das Risiko trägt, wenn das Musical floppen sollte. Aber Neblung ist optimistisch.

Er hat eine Band aus erstklassigen Musikern, die in Bremerhaven jahrelange Bühnenerfahrung gesammelt haben, und er hat einen plüschig charmanten Ort gefunden, in dem der Funke überspringen kann. „Als wir zum ersten Mal in dies Theater gekommen sind, war uns sofort klar: Der Raum ist für uns ein kleines Geschenk.“ Waldau-Intendant Michael Derda ließ sich nicht lange bitten. Nach 20 Minuten, erzählt Neblung, war er überzeugt worden. Schließlich ist das Musical in Bremen noch nie auf der Bühne gelaufen. 63 Vorstellungen sind für die Gastproduktion im Waldau-Theater angesetzt. 63 Mal wird das Publikum aufgefordert mitzumachen. Nicht nur den bekannten Hüftschwung, sondern auch jene Reis- und Wasserspiele, mit denen die Rocky-Horror-Show vor 25 Jahren zum Kult wurde. Die Kult-Accessoires können an der Kasse erworben werden. Die Regie hat Neblung in die Hände seiner langjährigen Mitarbeiterin Ricarda Regina Ludigkeit gelegt, eine erfahrene Musical-Regisseurin, die auch Neblungs Soloprogramme betreut. Sie setzt weniger auf opulente Bühnenbilder als auf intensive Nutzung der klassischen Theatermittel Tanz, Musik und Spiel.

Neblung ist inzwischen 300 Mal als Frank'N'Furter aufgetreten, nicht nur in Bremerhaven, auch in Lüneburg und Chemnitz. Hängt ihm die Rolle nicht zum Halse raus? Mit 17 hatte er erstmals den Film gesehen. Damals war die subversive Kraft des Stücks jedem einsichtig. Heute registriert der 43-Jährige überrascht, dass der Kult um das Musical noch immer weiterlebt. Auch bei den Jüngeren, die doch in einer viel liberaleren Gesellschaft aufgewachsen seien als er selbst. Eine Antwort, warum das Stück bis heute fasziniert, kann er nicht geben. „Egal wie liberal das Heranwachsen war, das Hineinwachsen in eine feste Struktur ist immer mit Zwängen verbunden.“

Auf der EXPO in Hannover wurde die Rocky-Horror-Picture-Show kürzlich zum meistgewünschten Publikumsfilm. Neblung trat dort mit seinen Musikern vor 6.000 ZuschauerInnen im Vorprogramm auf. Mindestens 50 bestrapste Fans seien auf die Bühne gesprungen. „Die Älteren unter ihnen reaktivieren da noch einmal einen Teil ihrer Jugend.“ Und er selbst? „Die Rolle macht mir immer noch unglaublich Spaß. Du gehst auf die Bühne, und mit den Leuten passiert etwas. Die Figur funktioniert nur, wenn alle mitspielen. Das heißt, du musst unheimlich wach sein. Du musst eingreifen, du musst auf Zwischenrufe reagieren können.“ Zwischenrufe sind niemals ausgeschlossen. „Wenn zum Beispiel 16-Jährige alle fünf Minuten einen Kommentar abgeben, muss ich reagieren.“

Und was rufen sie so? Da ist die Bettszene, in der Frank'N'Furter es erst mit einer Frau und dann mit einem Mann treibt. „Wenn ein Jugendlicher „Ey, du Knackarsch“ rüberruft, dann nehme ich mir die Freiheit, mich umzudrehen, und antworte ihm „Danke Baby!“ Dann ist er ruhig.“ Vor drei Wochen ist die Rocky-Horror-Crew ins Waldau-Theater gezogen, wo sie täglich zwölf Stunden geprobt haben. Das Theater stellt seinerseits Werkstätten und Technik. „Ein fairer Deal“, sagt Neblung.

Die Premiere in Walle muss sich am Wochenende gegen gewaltige Konkurrenz behaupten: Bon Jovi, das Bremer Musikfest und die Sail in Bremerhaven. Aber der Auftakt-Abend ist längst ausverkauft, und Neblung verspricht allen, die das Musical schon in Bremerhaven oder anderswo gesehen haben, dass dies „keine geklonte Inszenierung“ sein wird, sondern eine ganz eigene, „für Bremen und für dieses Haus“. Wird Walle künftig zum Wallfahrtsort der jüngeren und älteren Musical-Fans? Hans Happel

Premiere: 2. September, 20 Uhr; öffentl. Generalprobe: 1. September, 20 Uhr (auf allen Plätzen 20 Mark); Karten unter Tel.: 386 17 55

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