Dumm gelaufen

Der Hamburger Carlsen Verlag verbietet einen Wettbewerb für Onlineübersetzungen des vierten Bands von Harry Potters Abenteuern

Harry Potter, der bebrillte Zauberlehrling, macht die Welt tatsächlich ein bisschen besser. Kinder und Jugendliche, die sonst nie im Leben freiwillig ein Buch angefasst hätten, verschlingen plötzlich dicke Wälzer in Rekordzeit. Doch es herrscht nicht nur Begeisterung über die Werke der Britin Joanne K. Rowling: Im Muggelland droht ein handfester Gerichtsstreit.

Ausgelöst wurde der durch den Berliner Bernd Koelemann, der auf seiner Website zu einem Wettbewerb für Übersetzer aufrief. Die Aufgabe bestand darin, den vierten, bisher nur auf Englisch erhältlichen Band der Harry-Potter-Reihe ins Deutsche zu übertragen. Zur Kenntnisnahme des fachkundigen Publikums standen die jeweils fertigen Teile zum freien Download bereit. Harry Potters Deutsch sprechede Freunde fanden die Idee ganz zauberhaft, nicht aber der Carlsen Verlag in Hamburg, der sich die deutschen Rechte an „The goblet of fire“ gesichert hatte. Koelemann verletze Urheber- und Wettbewerbsrecht, ließ der Verlag ausrichten und erwirkte eine einstweilige Verfügung, die es Koelemann verbot, weiterhin zum Übersetzen des Buchs aufzufordern und die zwar von Laien angefertigte, aber überraschend gute deutsche Version zugänglich zu machen.

Koelemann kann das Verhalten des Verlags nicht nachvollziehen: „Ich werbe auf meiner Homepage nicht für Kampfhunde und auch nicht für Nazis. Materielle Ziele habe ich nicht. Ich will lediglich die Kommunikation über das Buch in Gang bringen. Der Carlsen Verlag mit seinem antiquierten Rollenverständnis denkt doch nicht im Mindesten zukunftsorientiert.“ Zum Märtyrer wollte Koelemann allerdings auch nicht werden. Der Übersetzerwettbewerb ist eingestellt – beim Verstoß gegen die einstweilige Verfügung droht ein Ordnungsgeld von einer halben Million Mark, ersatzweise sechs Monate Haft.

Sich selbst bezeichnet Koelemann gerne als „Community Farmer“. Aber nicht alle Mitglieder seiner „inoffiziellen Harry-Potter-Community“ meinen, der Carlsen Verlag sei im Unrecht. Im Gästebuch tobt eine Diskussion über die Verwertbarkeit geistigen Eigentums, in der auch schon mal Verständnis dafür geäußert wird, dass der Verlag keine Lust habe, sich Millionengewinne entgehen zu lassen. Dahinter wittert Koelemann eine Verschwörung: „Meine Seite ist doch momentan die von den Verlagen am meisten besuchte. Es ist doch klar, dass die da auch anonym irgendwelche verlagsfreundlichen Geschichten reinschreiben.“

Ein Scheingefecht. Wer genauer hinsieht, findet die mittlerweile dreißig Seiten lange deutsche Version auf einem anonymen amerikanischen Server. Auch „persönliche Interpretationen“ können unter zaubereiministerium@hotmail.com eingereicht werden.

So weit ins Netz hinein reicht die Macht des Verlags nun doch nicht. Der Anwalt des Verlags, Jörg Nabert, hält die strafrechtliche Verfolgung dieser Ausweichmanöver für ein „ewiges Katz-und-Maus-Spiel“. Koelemann sei zwar auch dafür haftbar, worauf er mit seinen Links verweise, es sei jedoch „enorm schwierig“, ihm eindeutige Urheberrechtsverletzungen nachzuweisen. Genauso im Falle der Laienübersetzer, die sich zwar ebenfalls strafbar machten, aber nur schwer zu identifizieren seien.

„Wir lassen die Sache jetzt auf sich beruhen“, sagt denn auch Carlsens Pressesprecherin Cornelia Berger. Sie bezweifelt, dass die noch ausstehenden 32 Kapitel der Laienübersetzung noch vor dem 14. Oktober fertig werden. An diesem Tag liefert Carlsen seine Version aus – und ein Blick auf das Gästebuch der Potter-Community zeigt, dass der Verlag sich nicht wirklich Sorgen machen muss. Die Fans halten die Download-Version zwar für „eine gute Sache“, aber die wenigsten wollen auf den Kauf des Buchs verzichten. „Mit nem Notebook im Bett lesen bringts nicht“, schreibt einer. Sauer sind die Online-Fans lediglich über die 44 Mark, die der neue Potter bei Carlsen kosten wird.

Teuer wird der wohl auch für Bernd Koelemann. Er kommt wahrscheinlich um eine weitere strafrechtliche Verfolgung herum, muss aber die Kosten für den Unterlassungsauftrag tragen. „Zum Glück bietet mir unsere deutsche rechtsstaatliche Landschaft einige Widerspruchsmöglichkeiten.“ Trotz allem hält er sein Projekt für einen Erfolg. Er habe erheblich zur Bildung einer Fan-Community beigetragen und den „Austausch“ über die Harry-Potter-Geschichten gefördert. Richtig „dumm gelaufen“ sei es nur für den Carlsen Verlag. „Was die gemacht haben, ist doch klassisches Harakiri. Der Verlag hat einfach nicht gesehen, dass das, was die Fans und ich gemacht haben, die Marketingstrategie der Zukunft ist, und ein absolutes Eigentor geschossen. Das Einzige, was er erreicht hat, ist, dass die Fans traurig geworden sind.“ SUSANNE KATZORKE

susanne.katzorke@gmx.de