„Wir Pessimisten hatten Recht“

Professor Dr. Ralph Anderegg, Schweizer Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Köln, zum Euro und den Zinsen

Warum hat die Europäische Zentralbank ihre Leitzinsen jetzt erhöht?

Ralph Anderegg: Die Entwicklung ist vorgezeichnet. Die Inflationsentwicklung, das Wachstum der Kredite lässt quasi automatisch die Geldmenge wachsen. Die EZB reagiert mit einer Zinserhöhung von 0,25 Prozentpunkten maßvoll. Einerseits schwächelt der Euro, andererseits weisen erste Zeichen auf eine Dämpfung der Konjunktur hin.

Steckt die EZB nicht in einem Dilemma zwischen Konjunktur- und Inflationsbremse?

Jawohl, die industrielle Entwicklung im Euroland hat noch eine große Dynamik, aber schon jetzt bremst die flache Zinskurve die Konjunktur ab. Dadurch sind langfristige Kreditzinsen für Investitionen relativ teuer. Das spricht eher gegen eine weitere Zinserhöhung. Andererseits wächst die Geldmenge und Preissteigerungen drohen. Das spricht für höhere Zinsen. Die EZB steckt also in der Klemme. Wir Pessimisten hatten einfach Recht, dass wir einen schwachen Euro bekommen würden. Aber der Wechselkurs darf nicht das Hauptziel sein. Auch der Dollar hat vor einem Jahrzehnt große Schwankungen erlebt. Wichtiger ist die Preisstabilität in Europa. Unter dem Strich begrüße ich eine mäßige Erhöhung der EZB-Leitzinsen.

Wo liegt dann der Fehler?

Die Einführung des Euro kam zu früh – besonders aus deutscher Sicht! Dagegen sind die strategischen Vorgaben der EZB gut, und wie sie es macht, ist auch gut. Der Hauptmangel liegt darin, dass Europa nicht genügend zusammengewachsen ist.

Und wo bleibt ein Euro-Außenseiter wie die Schweiz ab?

Die Wachstumsmöglichkeiten der Schweiz sind sehr eingeschränkt. Aber im Moment lebt die Schweiz ganz gut mit dem Euro, egal ob die EZB den Leitzins erhöht oder nicht. Unsere Zentralbank wird freilich nachziehen.INTERVIEW: HERMANNUS PFEIFFER