Bio für Bequeme

Fertig- und Tiefkühlgerichte in Bioausführung sind in. Gentechik ist gleichzeitig Gefahr und Chance für Ökokost

BASEL taz ■ Biolandwirtschaft ist einer der am schnellsten wachsenden Wirtschaftszweige. Das behaupten nicht nur die Organisatoren des 13. Kongresses der Bio-Organisation IFOAM, der diese Woche in Basel stattfand. Selbst die WTO-Institution International Trade Center attestiert der Ökolandwirtschaft ein dauerhaftes Wachstum von jährlich 25 Prozent für die nächsten zehn Jahre.

Mit 17 Prozent Bioanteil an der landwirtschaftlichen Nutzfläche steht Liechtenstein an der Spitze, gefolgt von Österreich (8,4 Prozent) und der Schweiz (7,8 Prozent). Deutschland liegt mit 2,6 Prozent (450.000 Hektar) auf Platz 8. In absoluten Zahlen führt hingegen Australien, hier sind 5,3 Millionen Hektar zertifiziert, was rund der Hälfte der weltweiten Fläche entspricht. Am dichtesten stehen Biohöfe in Westeuropa. Besonders rasant läuft die Umstellung in Osteuropa: Die Tschechische Republik etwa legt jährlich um 50 Prozent zu, Ungarn verdreifachte die Bioäcker gar innerhalb eines Jahres. Die Kehrseite dieser Entwicklung: Auch Bio wird zum weit gereisten Gut. Ungarn exportiert 90 Prozent, Großbritannien zwei Drittel seiner Bio-Ernte.

Kaum eine europäische Supermarktkette mag auf Bio verzichten. Auch der Fachhandel profitiert aber vom Boom. Denn der Einstieg der Großen hat dazu geführt, dass das Sortiment breiter wird und die Produktentwicklung schneller vorankommt. Allerdings wird es in den nächsten Jahren zu einer Marktbereinigung kommen, meint Toralf Richter vom Schweizer Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), Autor einer Studie zum Thema Bio und Supermarkt. Chancen hätten jene Biofachhändler, die mit einer größeren Verkaufsfläche, guter Beratung, umfassendem Sortiment, hoch frequentierter Passantenlage oder einem Shop im peripheren Einkaufszentrum aufwarten könnten.

Im zweitgrößten Schweizer Supermarkt Coop etwa haben Bio-Karotten und Bio-Frischmilch schon einen Marktanteil von einem Drittel. Ein zweiter starker Trend ist Fertigfutter wie Tiefkühlspinat, Salatsauce oder Eistee mit der Bio-Lizenz. Mit einem weitgehenden Verzicht auf Zusatzstoffe, die das Produkt verfälschen, einer schonenden Verarbeitung und einem strengen Verbot von Gentech-Zutaten will sich die Bio-Branche trotz Convenience auch in Zukunft einen Gesundheits- und damit Marktvorteil gegenüber der konventionellen Konkurrenz sichern.

Eine grosse Priorität hat laut IFOAM-Präsidentin Linda Bullard die Entwicklung von Bio in Entwicklungsländern. Hier hilft Ökolandbau, die Unabhängigkeit von Saatgutmultis und Pestizidhändler zu wahren. Zugleich größte Chance und größte Gefahr für Bio ist derzeit die Gentechnologie. Chance deshalb, weil zwischen 70 und 90 Prozent der Bevölkerung kein genmanipuliertes Essen wollen – „diese Menschen sind potenziell unsere Kundschaft“, so Bullard. Umgekehrt sei es für die Bio-Bewegung eine Herausforderung, ihre Produktion frei von Gentech zu halten. PIETER POLDERVAART

Infos: www.ifoam2000