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: Neuer deutscher Film – ein Fall fürs Beiprogramm?

Die letzten Polit-Ritter

Wenn die Italiener am Nebentisch über den aus ihrer Sicht noch etwas eindeutigeren Namen Franka Potente kichern und ein autogrammjagender Journalist berichtet, „la Potente“ habe einen italienischen Opa, dann hat das was von einer freundlichen Eingemeindung. Seit „Lola corre“ und „Anatomie“ kennt man in Italien zumindest diese eine jüngere deutsche Schauspielerin, während das mit dem deutschen Film immer noch ein kleines Drama ist.

Meistens beginnt es in Venedig mit der Frage: „Warum nicht im Wettbewerb?“ Dabei ist Tom Tykwers neuer Film, „Der Krieger und die Kaiserin“, in der eher spektakelbetonten Reihe „Träume und Visionen“ eigentlich ganz gut aufgehoben. Benno Führmann und la Potente als Liebespaar, das sich in einem Wuppertaler Melodram erst zueinander durchkämpfen muss, sie eine psychiatrische Krankenschwester mit Helfersyndrom, er ein bizepsbetonter Eigenbrötler, der sich am Unfalltod seiner Frau die Schuld gibt. Gerade am Anfang entwickeln Tykwers undurchschaubare Figuren mit ihrer geheimnisvollen Vergangenheit einen seltsamen Sog, der aber bald durch die allzu ausgestellten filmischen Mittel verebbt. Akrobatische Kameraschwenks, Zeitraffer, Überblendungen, kaum wahrnehmbare Slow-Motion-Effekte und digitale Bearbeitung stehen irgendwie einsam für sich. Immer wieder scheint es, als wolle der Regisseur Tykwer den Geschichtenerzähler Tykwer überholen, wobei der formale Druck bei Schauspielern wie Franka Potente, Joachim Król oder Lars Rudolph eigentlich völlig überflüssig ist.

Bei der ersten Vorstellung in Venedig schrie denn auch ein Zuschauer während der letzten Hubschrauberfahrt der Kamera ein gequältes „Basta!“ gegen die Leinwand. In der einzigen bisher erschienenen Kritik zum Film verglich die Tageszeitung Il Gazzetino Tom Tykwer gar nicht so untreffend mit einem versierten Redner, der in den Klang seiner eigenen Stimme verliebt ist.

Der zweite deutsche Beitrag in einer Nebenreihe, Christian Paetzolds „Die innere Sicherheit“, hatte auch nicht gerade einen großen Auftritt. Barbara Auer und Richy Müller spielen zwei in Portugal untergetauchte Ex-RAF-Mitglieder, die mit ihrer Tochter plötzlich aus unerfindlichen Gründen auf der Flucht sind. Paetzold verwurstet den deutschen Terrorismus zu einer freischwebend-fantasmagorischen Geschichte, die teilweise so wilde logische Sprünge vollführt, dass sich Zuschauer während der Vorführung beschwerten, es seien Filmrollen vertauscht worden. Lange Autofahrten, geheimnisvolle leer stehende Häuser und sparsame Dialoge, die immer aus der gleichen Distanz gefilmt sind, verbinden sich zu einem kühlen Roadmovie, das irgendwie nicht von der Stelle kommt.

Aus einer derart allegorisierenden Ferne betrachtet, wird die RAF zum Luxustrip eines aus der Geschichte gefallenen weltfremden Paares, das immer wieder frei und ungebrochen bei offener Tür bumst. Die Tochter geht derweil CDs klauen oder halluziniert sich in den Sozialkundeunterricht einer deutschen Schule hinein, wo gerade „Nacht und Nebel“ läuft. Dass die letzten einsamen Polit-Ritter ausgerechnet von einem arbeitslosen Proleten verpfiffen werden, macht „Die innere Sicherheit“ auch nicht sympathischer.

Nach solchen patriotischen Filmenttäuschungen geht man am besten zum Greenpeace-Stand mit den Solarzellenmodulen rechts neben dem Festivalpalast. Da gibt es liebevoll layoutete Broschüren und hin und wieder Gratiskaffee, wobei man auch als Ausländer geduldig die Vorzüge der Sonnenenergie erklärt bekommt. Außerdem reden alle immer ganz warmherzig von den deutschen Grünen.

KATJA NICODEMUS