Die schnelle Rückkehr des Tycoons

Sieger der Parlamentswahlen im Libanon ist der frühere Regierungschef und Multimillionär Rafik Hariri. Der sunnitische Muslim will jetzt mit dem maronitischen Präsidenten eine schwierige „Kohabitation“ nach französischem Vorbild eingehen

von THOMAS DREGER

Libanons „Dicker“ greift wieder zur Macht. Zwei Jahre nachdem er sich beleidigt aus der Politik zurückgezogen hatte, darf der gewichtige Multimillionär Rafik Hariri (56) bald wieder auf dem Stuhl des Ministerpräsidenten Platz nehmen. Bei der zweiten und letzten Runde der libanesischen Parlamentswahlen erzielte sein Lager am Sonntag einen deutlichen Sieg. Hariris Widersacher und bisheriger Amtsinhaber Salim al-Huss räumte gestern seine Niederlage ein.

„Die Menschen wollen einen Wechsel“, kommentiert Paul Salem vom unabhängigen „Lebanese Center for Policy Studies“ den unerwartet deutlichen Wahlausgang. Es sei allerdings fraglich, ob ausgerechnet Hariri dafür der richtige Mann sei. Der Tycoon mit saudi-arabischem Zweitpass hatte es in seiner ersten Amtszeit von 1992 bis 1998 geschafft, buchstäblich Milliarden in den Sand zu setzen. Die von ihm beherrschte Baugesellschaft „Solidere“ sicherte sich mit nicht ganz sauberen Methoden einen Exklusivvertrag für den Wiederaufbau der durch den Bürgerkrieg zerstörten Innenstadt Beiruts. Dort entstand eine Glitzermeile mit leeren Ladenlokalen und verweisten Cafés. Weite Teile der Stadt sind dagegen noch immer schwer von Kriegsschäden gezeichnet. Jetzt darf Hariri auch noch den Wiederaufbau des im April von den Israelis geräumten Südens organisieren.

Seinen Sieg hat Hariri auch dem komplizierten ethnischen Gefüge des Landes zu verdanken. Nicht echte Parteien konkurrieren um die Macht, sondern Pressure-Groups der ethnischen und religiösen Gruppierungen. Die Macht wird nach einem Proporzsystem verteilt, das auf den Nationalpakt von 1943 zurückgeht. Der Staatspräsident wird demnach von den christlichen Maroniten gestellt, der traditionellen Elite des Landes, die immer noch behauptet, die größte Bevölkerungsgruppe zu stellen. Der Ministerpräsident ist sunnitischer Muslim, der Parlamentspräsident Schiit, und einige wichtige Posten werden von Drusen besetzt.

Hariri, der einen eigenen Fernsehsender besitzt, hat es geschafft, die Sunniten in Beirut für sich zu mobilisieren. Alle 18 Kandidaten seiner Liste schafften in der Hauptstadt den Einzug ins das 128 Sitze zählende Parlament. Vor allem Christen blieben dagegen den Wahlurnen fern. Die Wahlbeteiligung lag insgesamt bei nur 40 Prozent.

Im ersten Wahlgang vor einer Woche hatten die Bewohner des von Christen dominierten Nordens des Landes und des zentralen Libanongebirges – einer Drusenhochburg – abgestimmt. Klarer Sieger waren die Drusen unter ihrem früheren Warlord Walid Dschumblatt. Dessen Loyalität glaubt sich Hariri sicher, ebenso wie der des Chefs der schiitischen Amal, des Parlamentspräsidenten Nabih Berri. Gemeinsam mit der ebenfalls schiitischen Hisbullah sicherte sich Berri sämtliche Sitze der Schiitenhochburgen Bekaa-Ebene und Südlibanon. Dort wurde nach 28 Jahren israelischer Besatzung erstmals wieder gewählt.

Gespannt darf man sein, wie sich Hariri diesmal mit dem Staatspräsidenten Emile Lahud vertragen wird. Der Dauerstreit zwischen dem Geschäftsmann und dem strengen Militär hatte 1998 zu Hariris Rücktritt geführt. Nun verspricht Hariri Lahud „Kohabitation“. Sollte die scheitern, wird sich mit Sicherheit eine andere Macht einmischen: Syrien hat mehr als 30.000 Truppen in dem Nachbarstaat stationiert. Der im Frühjahr verstorbene Staatschef Hafis al-Assad pflegte regelmäßig die libanesische Staatsführung nach Damaskus einzubestellen, um ihr die Leviten zu lesen. Sein Sohn und Nachfolger Baschar al-Assad dürfte das nicht anders machen. Schließlich war er einst Libanon-Beauftragter seines Papas.