Giftige Reaktion auf Umweltstudie

Umweltbundesamt weist nach: Konventionelle Bauern verseuchen mit Giftspritzerei die Bäche. Biologische Bundesanstalt lädt Umweltbundesamt von Veranstaltung aus. Landwirtschaftsministerium wirbt mit Agroindustrie für mehr Pestizide

von MAIKE RADEMAKER

Mit einer fadenscheinigen Begründung hat die Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA) einen Mitarbeiter des Umweltbundesamtes (UBA) von einer Veranstaltung ausgeladen, die am kommenden Mittwoch in Berlin beginnen soll. Auf der Fachtagung zum Thema „Nachhaltige Landwirtschaft – Pflanzenschutz und Gewässerschutz“, die das BBA gemeinsam mit dem Bundeslandwirtschaftsministerium (BML) veranstaltet, sollten keine Behördenvertreter vortragen, sei laut UBA die offizielle Begründung für die Ausladung gewesen. Man sei „nicht glücklich darüber“, sagte ein Sprecher des UBA. Das BBA dementierte gesternauf Anfrage die Ausladung.

Stein des Anstoßes ist offensichtlich die Studie, die der ausgeladene Mitarbeiter des UBA vorstellen wollte. In der Untersuchung, die vier Jahre lief, wurden die Auswirkungen von Pestizideinträgen auf die Artenvielfalt in Bächen geprüft. Dabei untersuchten die Experten sowohl Gebiete, in denen ökologisch orientierte als auch solche, wo konventionelle Landwirte arbeiten. Das Ergebnis bestätigt vorherige Laborergebnisse: Wo konventionell gespritzt wird, gehen empfindliche Arten schnell ein. Im Oktober soll die endgültige Fassung veröffentlicht werden.

Der Streit zwischen UBA, BBA und dem übergeordneten Landwirtschaftsministerium geht allerdings in der Konsequenz des Ergebnisses weiter. Das Umweltbundesamt plädiert dafür, Zielvorgaben für die Konzentration von Pflanzenschutzmitteln einzuführen, und fordert, dass nur diejenigen Unternehmen Gift spritzen dürfen, die auch eine entsprechende Sachkunde aufweisen. „Untersuchungen haben eindeutig ergeben, dass Pflanzenschutzmittel von Landwirten oft nicht ordnungsgemäß angewendet werden“, sagt Ulrich Irmer, Leiter des Fachgebietes Binnengewässer beim UBA. Rund 30 Tonnen Pflanzenschutzmittel gelangen pro Jahr in die Oberflächengewässer Deutschlands – die Hälfte durch Abschwemmung von den Feldern, Verwehungen beim Spritzen und aus Entwässerungsanlagen.

Das BML dagegen wünscht sich ein einfacheres Zulassungsverfahren und kungelt dafür auch mit der Industrie. Anfang August gab es eine Presseerklärung des Industrieverbandes Agrar über ein „Positionspapier“, das auch Vertreter des BML und der BBA unterzeichnet hatten. Darin befürchten die Unterzeichner, dass die hohen Anforderungen bei der Zulassung dazu führen könnten, dass „ die Landwirtschaft zum Teil in die Illegalität geht“ oder „zur Aufgabe ganzer Produktionszweige gezwungen wird“. Damit dies nicht passiert, soll bei den Zulassungsbestimmungen wieder das Risiko „mit Augenmaß beurteilt werden“. Gegen diese Kooperation von Agroindustrie und Politik hatten sowohl der Naturschutzbund als auch der WWF heftig protestiert und die zukünftige Glaubwürdigkeit der Behörden angezweifelt. Die Grünen-Abgeordnete Ulrike Höfken, Vorsitzende des Agrarausschusses, beschwerte sich daraufhin gestern schriftlich bei Landwirtschaftsminister Funke (SPD).