Dänische Diesseitigkeit

■ Jetzt noch semiprominent zu erleben: Das Jakob Dinesen Trio mit bemerkenswertem Jazz im Birdland

Der Song „Hi Lili Hi Lo“ von Bronislav Kaper wirkt im großen Standardrepertoire des Jazz immer ein wenig wie das Fohlen unter eindrucksvolleren Schlachtrössern. Jakob Dinesen aus Kopenhagen, ein Saxofonist Anfang 30, überführt die fragile Melodie ganz unerschrocken in einen markanten Blues und gestaltet das zeitlose Lied zu einem abstrakten Stillleben aus – in aller gebotenen Ruhe, Konzentration und Behutsamkeit. Für Wayne Shorters „Lester Left Town“ wechselt er dann vom Sopran- zurück ans angestammte Tenorsaxofon, holt einmal tief Luft und schmettert die bezwingenden Chorusse nur so heraus, wobei er seinen Bassisten Nils Bo Davidsen und Jeppe Gram am Schlagzeug stets auf gleicher Höhe wissen darf.

For Music Use Only heißt die bemerkenswerte Platte des ebensolchen Trios, das jetzt im Birdland seine Hamburg-Premiere gibt. Hervorgegangen aus der sehr lebhaften dänischen Szene, hat sich Dinesen den Profi-Feinschliff in Berklee erworben und ist nach USA- und Japan-Tourneen mit diversen Bands jetzt auf dem Sprung, seine eigenen Ideen umzusetzen. An einer gesunden Beschränkung auf das Wesentliche scheint ihm dabei erfreulich viel zu liegen.

„Better Git it in Your Soul“ von Charles Mingus, „Ugly Beauty“ von Thelonious Monk und Ornette Colemans „Trigonometry“ – Die ausgewählten Stücke evozieren weitere wichtige Wegbereiter, deren Wirkung Dinesen und Davidsen aber auch zu selbstbewuss-ten Eigenkompositionen angestiftet hat. Das Zusammenspiel im Trio ist wunderbar austariert, als wären die geschehenden musikalischen Prozesse die pure Rekreation: In den sparsamen, aber innigen Verständigungen zwischen den drei akustischen Instrumenten wird nie gefuchtelt. Das Dinesen-Trio frönt beharrlich jenem nachgerade klassischen Sound, der sich in den richtigen Händen seit Hardbop-Zeiten so geschmeidig kommunizieren lässt. Zu dritt, im Duett, im unbegleiteten Solo, ja sogar in den todesmutig gesetzten Pausen.

Ein neues Album von Jakob Dinesen, unter anderem mit Drummer Paul Motian und dem Gitarristen Kurt Rosenwinkel eingespielt, wird demnächst erscheinen. Dabei spricht vieles dafür, diesen Saxofonisten schon jetzt, gewissermaßen noch im unschuldigen Status der Semiprominenz abzufangen. Jakob Dinesen traut sich genau das zu, was er kann. Die musikalische Zauberformel seines Trios mag auf zwar Avantgarde-Enthusiasten zu diesseitig wirken. Umso mehr aber hat sie mit Jazz für Zeitgenossen im Sinn.

Andreas Schäfler

Sonnabend, 21 Uhr, Birdland